Die Digitalisierung schreitet rasant voran

FLORA GUERY, KATHRIN MORF. Das Gesundheitswesen befindet sich inmitten einer digitalen Transformation, und der Bundesrat will diese Entwicklung mit dem Programm «DigiSanté» weiter beschleunigen (vgl. Infokasten). Der jährliche «eHealth Barometer»  zeigt indes, dass die Spitex ihre Prozesse bereits stark digitalisiert hat und weiteren Digitalisierungsschritten offen gegenübersteht. Was das in der Praxis ­bedeutet, beleuchten zwei Beispiele: Über die digitale Transformation der Genfer Spitex IMAD mit rund 2400 Mitarbeitenden spricht Marc Besson, Chief Information Officer (CIO) und Mitglied der Generaldirektion. Das zweite Beispiel ist die Spitex Bern mit rund 400 Mitarbeitenden, die von 2021 bis 2023 das Pilotprojekt «Digitale Transformation» durchgeführt hat (vgl. «Spitex Magazin» 6/2022). «Auch wenn das Projekt beendet ist, hört die Arbeit an der Digitalisierung nie auf», betont Judith Liechti, Leiterin Dienste sowie stellvertretende Geschäftsführerin der Concara Services AG, der die Spitex Bern angehört. Marc Besson und Judith Liechti berichten, welche Bereiche ihrer Organisation von der digitalen Transformation profitieren – und wie ebendiese Transformation gelingen kann.

1. ­Welche Bereiche einer Spitex-Organisation profitieren von der Digitalisierung?
2. Welche Massnahmen sind für eine gelungene Digitalisierung zentral?

Klientin Berta Hürlimann, 98, spricht per Videotelefonie mit Lea Grob von der Spitex Klettgau-Randen (SH). Themenbild: Michael Steck / Bildbearbeitung: Stutz Medien AG

«Die Digitalisierung entlastet und unterstützt unsere Mitarbeitenden und ermöglicht effizientere, kostengünstigere Prozesse. In Zeiten von Fachkräftemangel und Spardruck ist dies besonders wichtig», sagt Judith Liechti. Auch müsse sich die Spitex auf die Digitalisierung ­einlassen, um im zunehmend umkämpften Markt eine Zukunft zu haben. «Wir sind zudem überzeugt, dass die digitale Transformation der richtige Weg ist, um ein attraktives Unternehmen zu sein und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu optimieren», fügt Marc Besson an. Welche Bereiche einer Spitex-Organisation unter anderem von diesen Vorteilen profitieren können, zeigen unterschiedliche Projekte der beiden Organisationen:

Die Arbeit an der Digitalisierung einer Spitex-Organisation hört nie auf.

JUDITH LIECHTI

Projektleiterin Digitale Transformation, Spitex Bern

  • Anmeldung: Die Spitex Bern war vor gut zehn Jahren an der Entwicklung der Plattform OPAN beteiligt, die heute das meistgenutzte digitale Instrument für Patientenanmeldungen ist. Ab September 2024 wird die gesamte Concara mit OPAN arbeiten. «Die Digitalisierung des Übertrittsmanagements macht dieses viel effizienter», lobt Judith Liechti. Dies auch, weil digitale Prozesse oft automatisiert werden können: So werden die Daten, welche Zuweisende in OPAN eingeben, automatisch in die Spitex-Software Perigon transferiert.
  • Bedarfsabklärung: Wie bei den meisten Spitex-Organisationen ist bei der IMAD die Bedarfsabklärung komplett digitalisiert. «Wir haben auf allen Tablets und Laptops die Software RAIsoft Home Care implementiert. So können unsere Mitarbeitenden während der Bedarfsabklärung alle Informationen direkt in die digitale Patientenakte eingeben», erklärt Marc Besson.
  • Patientenakten und Pflegedokumentation: Patientenakten und Pflegedokumentation der IMAD sind fast vollständig digitalisiert. Dies dank des Projekts «Trajectoires», das seit zwei Jahren läuft: Trajectoires ist eine Plattform, die eine einheitliche Sicht auf die Pflege und Betreuung ermöglicht, den Zugriff auf andere technische Tools vereinfacht und in der alle Klientendaten zusammenlaufen. Über die zugehörige App können Mitarbeitende zum Beispiel Papierdokumente wie ärztliche Rezepte während eines Einsatzes mit ihrem Smartphone fotografieren und in der elektronischen Patientenakte ablegen. «Seit der Einführung dieser Lösung im Juni 2024 wurden über 200 000 Dokumente digitalisiert», berichtet Marc Besson. Die digitale Pflegedokumentation der IMAD basiere auf mehreren Tools, darunter die Software Medlink, und sei zentral, «weil die reibungslose Koordina­tion aller an der Pflege beteiligten Akteure nur mithilfe digitaler Werkzeuge gewährleistet werden kann». Die Spitex Bern hat sowohl Patientenakten als auch Pflegedokumentation vollständig digitalisiert. «Ab Oktober 2024 erproben wir zudem in einem Pilotprojekt, dass unsere Mitarbeitenden die Verlaufsberichte dank Spracherkennung verbal aktualisieren können», berichtet Judith Liechti.
  • Pflege vor Ort: Um ihre Mitarbeitenden während der Pflege zu unterstützen, hat die Spitex Bern ­digitale Leitfäden wie das Hygiene-Tool von Schindler Frei & Partner auf allen Tablets installiert. Die IMAD arbeitet derweil daran, dass ihre Mitarbeitenden sich verbal mit künstlicher Intelligenz (KI) über laufende Pflegemassnahmen austauschen können. «Dieses Instrument basiert auf unseren internen Daten und wird besonders in komplexen Pflegesituationen und während kurzfristiger Einsätze nützlich sein», sagt Marc Besson.
  • Telepflege: Digitalisierung ermöglicht Telepflege, also die Pflege aus der Ferne (vgl. Bericht in dieser Ausgabe). Die Kinderspitex der Spitex Bern wird laut Judith Liechti an einem diesbezüglichen Pilotprojekt der Kinderspitex Ostschweiz mitwirken. «Zwei bis drei Pflegefachpersonen werden sich in einem Stützpunkt um das Monitoring des Gesundheitszustandes der Kinder kümmern, die nachts überwacht werden müssen. Dies mithilfe von Sensoren, welche die Kinder an ihrem Körper tragen.» Im Falle von Unregelmässigkeiten können die Pflegefachfrauen zum Beispiel die schlafenden Eltern wecken. 1 Die IMAD setzt ebenfalls auf ein Pilotprojekt der Telepflege: Sie rüstet Wohnungen mit einem Sensorystem aus, das dank KI im Notfall automatisch Alarm schlagen kann (vgl. Infokasten in diesem Bericht).
  • Kommunikation mit Klientinnen und Klienten: Die Spitex Bern hat ein digitales Kundenportal über die Software OXOA geschaffen. Dank einer App können die Klientinnen und Klienten und ihre Angehörigen über das Portal alle Details zu den Einsätzen der Spitex einsehen und Einsätze absagen. Die Spitex kann Dokumente und News hochladen, und ab Herbst 2024 sind auch Rechnungen und Mahnungen über das Portal einsehbar. «Wir sind stolz auf dieses sinnvolle Angebot, das rund 500 Nutzende zählt und bereits von anderen Spitex-Organisationen übernommen wurde», sagt Judith Liechti.
  • Interne Kommunikation: Immer häufiger sind Spitex-­Organisationen dezentral organisiert, was die interne Kommunikation mithilfe digitaler Instrumente bedeutsam macht. Seit zwei Jahren setzt die IMAD mit dem Programm «Cap’Digital» den digitalen Teil der Unternehmensstrategie «Cap’139» um. «Zu Cap’Digital gehört das Projekt ‹Booost›, das die digitalen Kompetenzen unserer Mitarbeitenden ‹boostet›», erklärt Marc Besson. Im Rahmen von «Booost» wurden mehrere Tools wie Microsoft Teams eingeführt, damit sich alle Mitarbeitenden digital austauschen können, etwa per Videotelefonie oder in Chats.
  • Integrierte Versorgung samt Medikamenten­management: Die Spitex Bern führt Gespräche mit anderen Leistungserbringern, damit diese das Kundenportal ebenfalls nutzen. «Bis Ende 2024 wollen wir das Pilotprojekt starten, dass die Onkologie­abteilung des Berner Kinderspitals alle wichtigen ­Informationen zu gemeinsamen Fällen auf unser Portal aufschaltet. Dies verbessert den Informationsfluss zwischen allen Beteiligten enorm», sagt Judith Liechti. Damit auch das interprofessionelle Medikamentenmanagement von der Digitalisierung profitiert, hat die Spitex Bern den Einsatz des eMediplans2  erprobt und will diesen in ihre Prozesse einbinden, sobald der eMediplan mit Perigon kompatibel ist. Die IMAD verlässt sich hingegen auf die Stammgemeinschaft Cara, die ein elek­tronisches Patientendossier (EPD) sowie zusätzliche, in der Entwicklung befindliche Module wie eine Pflegeplanung und einen Medikationsplan anbietet. Laut Marc Besson sollen diese Tools künftig die interprofessionelle Kommunikation erleichtern (mehr zum EPD in diesem Bericht).

Wir arbeiten daran, dass sich
unsere Mitarbeitenden verbal mit künstlicher Intelligenz über
laufende Pflegemassnahmen
austauschen können.

MARC BESSON

CIO und Direktionsmitglied IMAD

  • Finanzbuchhaltung: Auch die Finanzbuchhaltung der Spitex wird durch die Digitalisierung stark vereinfacht. Beispielsweise nutzt die Spitex Bern die Software Qlik Sense, die bei der Analyse und Darstellung von Finanzdaten hilft. Spitex Schweiz empfiehlt für die Kostenrechnung und den Vergleich von Kennzahlen mit anderen Organisationen zwei spezifische Tools: die Kostenrechnung von Heyde und den Benchmark von Polynomics (vgl. «Spitex Magazin» 5/2023).
  • Kommunikation mit Versicherern: Die IMAD hat alles digitalisiert, was mit Rechnungen, Bedarfsmeldungen und Rückweisungen durch Versicherer zu tun hat. Um diese Prozesse weiter zu vereinfachen, überlegt sich die Organisation die Einführung von SHIP («Swiss Health Information Processing»; vgl. «Spitex Magazin» 4/2024). SHIP will den Datenaustausch zwischen Versicherern und Spitex digitalisieren und automatisieren. Die Spitex Bern befindet sich gemeinsam mit Helsana in einem Pilotprojekt zur Einführung von SHIP im Spitex-Setting. «Damit sparen wir künftig hoffentlich einen riesigen administrativen Aufwand», sagt Judith Liechti.
  • Aus- und Weiterbildung: Die Vermittlung von digitalen Kompetenzen ist in der Aus- und Weiterbildung der Pflege zunehmend von Bedeutung, wie das Projekt «Digi-Care» der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) und der Berner Fachhochschule (BFH) zeigt. 3 Die IMAD nutzt in diesem Bereich «eLearning», also die digital unterstützte Bildung: «Die Nutzung digitaler Tools gehört inzwischen zu den Kernkompetenzen in der Pflege», sagt Marc Besson. «Bis Anfang 2024 haben wir darum über 200 Mikro-Learning-Module zur Verfügung gestellt, die unseren digitalen Tools gewidmet sind und von unseren Mitarbeitenden sehr gut aufgenommen wurden.» Auf dem IMAD-Campus befinde sich zudem ein Simulationszentrum, das dank neuen Technologien eine hybride, immersive Ausbildung ermöglicht: «Wir verfügen unter anderem über Virtual-Reality-Headsets, die wir mit Patientinnen und Patienten im Rahmen eines Pilotprojekts zur Sturzprävention einsetzen.»
  • Qualitätsmanagement: Die Digitalisierung hilft auch beim Qualitätsmanagement der Spitex, etwa durch digitale Fehlermeldesysteme (auch «CIRS» für «Critical Incident Reporting System»). «Die IMAD verfügt über verschiedene digitale Tools, um die Qualität ihrer Leistungen zu überwachen und Qualitätsvorfälle zu verarbeiten», sagt Marc Besson. Die Spitex Bern hat unter anderem die Zufriedenheitsumfragen unter den Mitarbeitenden digitalisiert, die ein fester Bestandteil des Qualitätsmanagements sind.
  • Personalprozess: «Alle Bewerbungen erfolgen bei der IMAD über die Online-Plattform SmartRecruiters. Auch der Einstellungsprozess ist stark digitalisiert», berichtet Marc Besson. Bei der Spitex Bern findet seit 2023 der gesamte Personalprozess digital statt. Über das Portal MyAbacus können Mitarbeitende unter anderem ihre Lohnrechnungen einsehen. Zudem hat die Spitex Bern eine digitale Plattform geschaffen, über die sich alle Mitarbeitenden über mögliche Aus- und Weiterbildungen informieren und sich dafür anmelden können. Schliesslich setzen die IMAD und die Spitex Bern verschiedene moderne Kommunikationsmittel wie Social Media ein, um ihre moderne Arbeitsweise bekannt zu machen. «Wo Digitalisierung drin ist, sollte schliesslich auch Digitalisierung draufstehen», sagt Judith Liechti.
  • Lagerbewirtschaftung: Auch die Digitalisierung der Lagerbewirtschaftung spart viele Ressourcen. Bei der Spitex Bern werden seit Januar 2024 in allen Standorten digitale Waagen eingesetzt. Diese erkennen, wenn ein Produkt im Lager zur Neige geht – und informieren eine zuständige Person oder bestellen selbst Nachschub.
  • Einsatz- und Wegplanung: Die IMAD hat die Planung aller Einsätze auf Basis von MedLink digitalisiert. «Unsere Mitarbeitenden können über Trajectoires all ihre Einsätze samt Adressen und Google-Maps-Link einsehen», erklärt Marc Besson. Ein Algorithmus weist jeweils die beste Art der Fortbewegung und Route aus. «Und in einem künftigen Projekt werden wir analysieren, wie Verkehrsvorhersagen in Echtzeit in unsere Einsatzplanung einfliessen können.»
Bildlegende: Die Spitex wird immer digitaler, zum Beispiel beschäftigen sich viele Organisationen, wie die IMAD, bereits mit dem EPD.
Themenbild: Michael Steck / Bildbearbeitung: Stutz Medien AG

Folgende Massnahmen helfen unter anderem dabei, dass die digitale Transformation trotz verschiedener Hürden gelingt:

  • Reflektiertes Vorgehen: Laut Marc Besson muss genau reflektiert werden, ob ein digitales Instrument wirklich einen Nutzen bringt. «Beispielsweise müssten neue Tools benutzerfreundlich sein und in allen Pflegesituationen eingesetzt werden können», sagt er. Die Spitex Bern hat dieses ­reflektierte Vorgehen mithilfe einer Begleitevaluation ihrer digitalen Transformation erreicht, um die sich ein Team der BFH unter der Leitung von Prof. Dr. Friederike Thilo kümmerte. «Eine solche externe Begleitforschung empfehle ich allen Spitex-Organisationen», sagt Friederike Thilo auf Anfrage. «Denn nur durch die fundierte Erhebung und Auswertung von Daten vor und nach der Einführung eines Tools kann die Spitex wissen, ob dieses wirklich den Bedürfnissen und dem Bedarf der Spitex und ihrer Klientinnen und Klienten entspricht – und ob die Einführung des Tools wirklich einen messbaren Mehrwert bringt.»

Der Einbezug aller Mitarbeitenden sowie eine gute interne
Kommunikation sind das A und O einer gelungenen Digitalisierung.

JUDITH LIECHTI

Leiterin Dienste / stv. Geschäftsführerin Concara Services AG, der die Spitex Bern angehört

  • Einbezug der Mitarbeitenden: Der Einbezug aller Mitarbeitenden sowie eine gute interne Kommunikation seien das A und O einer gelungenen Digit­alisierung, sagt Judith Liechti. Auch Marc Besson ist der Überzeugung, dass die digitale Transformation ein detailliertes Change-Management sowie eine kontinuierliche Kommunikation mit den Mitarbeitenden erfordert. «Für unsere Strategie Cap’Digital haben wir zum Beispiel eine umfassende interne Kampagne durchgeführt», berichtet er. «Zudem haben wir viele Videos über den Nutzen von Teilprojekten wie Booost und Trajectoire gedreht. Diese Bemühungen führten zu einer besseren Akzeptanz der neuen Technologien unter den Mitarbeitenden.»
  • Finanzierung sicherstellen: Die digitale Transformation einer Spitex-Organisation verlangt nach ausreichend finanziellen Mitteln. «Die Digitalisierung der Spitex sollte besser fremdfinanziert werden», fordert Judith Liechti. «Denn Spitex-Organisationen können nur mit der rasanten Entwicklung des Gesundheitssystems mithalten, ihre Kosten dämpfen und den Fachkräftemangel bewältigen, wenn sie in die Digitalisierung investieren können.»
  • Umfassender Datenschutz: Digitale Neuerungen müssen den Vorgaben des Datenschutzgesetzes (DSG) entsprechen. Darum hat die Spitex Bern ihr Kundenportal von einem Datenschützer prüfen lassen. Und sie hat ein Parallel-System samt täglichem Daten-Backup eingerichtet, um ihren Betrieb im Falle eines Cyberangriffs fortführen zu können. «Zentral ist auch die Sensibilisierung aller Mitarbeitenden für das Thema Datenschutz», sagt Judith Liechti. Darum führt die Spitex Bern alle zwei Monate einen Test mit fingiertem «Phishing» 4 durch und klärt mit einem Video über aktuelle Betrugsmaschen auf. Marc Besson verweist auf ein weiteres Risiko für digitalisierte Unternehmen: Energiekrisen. «Wir haben Business-Continuity-Pläne entworfen, die es uns ermöglichen, unsere Dienstleistungen auch mit begrenztem oder fehlendem Strom aufrechtzuerhalten», erklärt er.
  • Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten berücksichtigen: «Die Spitex muss sicherstellen, dass sie durch ihre Digitalisierung keine Menschen ausschliesst, die digitale Tools nicht nutzen können – sei es wegen fehlender Kenntnisse, psychischer Erkrankungen oder knapper finanzieller Ressourcen», betont Judith Liechti. Darum setze die Spitex Bern auf analoge Alternativen wie Kundenumfragen auf Papier (für weitere Massnahmen gegen eine «digitale Zweiklassengesellschaft» vgl. Infokasten in diesem Bericht).

Es muss genau reflektiert
werden, ob ein digitales Instrument einen Nutzen bringt. Zum Beispiel muss es benutzerfreundlich und in allen Pflegesituationen einsetzbar sein.

MARC BESSON

CIO und Direktionsmitglied IMAD

  • Sich Zeit nehmen und Mitarbeitende gut be­gleiten: Eine digitale Transformation kann scheitern, wenn sie die Mitarbeitenden überfordert. Dr. Christoph Golz verwies im Rahmen der STRAIN-Studie der BFH 5 darauf, dass Organisationen im Gesundheitswesen zunehmend auf den «digitalen Stress» oder auch «Technostress» ihrer Mitarbeitenden achten müssen. «Unsere Mitarbeitenden müssen für die Nutzung von digitalen Instrumenten ausreichend Zeit haben. Beispielsweise nützt eine gute digitale Pflegedokumen­tation nichts, wenn sich die Mitarbeitenden nicht darin einlesen können», sagt Judith Liechti ­hierzu. Um digitalen Stress zu vermeiden, seien auch die schrittweise Einführung neuer digitaler Instrumente sowie die intensive Schulung und Begleitung der Mitarbeitenden von grosser Bedeutung. Darum setzt die Spitex Bern nicht nur auf einen externen IT-Support, sondern auch auf ein internes Support-Team aus technisch und pflegerisch versierten Mitarbeitenden. «Dieser IT-Support ist rund um die Uhr verfügbar, auch am Wochenende. Das ist umso wichtiger, je digitalisierter ein Unternehmen ist.» 

Die IMAD wolle die Digitalisierung mit all ihren Möglichkeiten weiter vorantreiben, sagt Marc Besson. Derzeit arbeitet die Organisation zum Beispiel an mehreren Projekten, um bestehende Instrumente durch KI zu ergänzen. «Die Spitex muss sich so schnell wie möglich auf die Möglichkeiten der Digitalisierung einlassen», rät er abschliessend. «Aber sie muss dies auch so langsam wie nötig tun, damit sich ihre Kundinnen und Kunden genauso an die digitale Transformation anpassen können wie ihre Mitarbeitenden.»

Das Programm DigiSanté

«Im Unterschied zu anderen Lebensbereichen ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen […] viel weniger weit fortgeschritten», erklärt das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Es fehle eine breit abgestützte gemeinsame Stra­tegie aller Akteure. Ändern soll dies das Programm «DigiSanté» des Eidgenössischen Departements des Inneren (EDI). Das vom Bundesrat in Auftrag gegebene Programm fördert die digitale Transformation im Gesundheitswesen und befindet sich bis Ende 2024 in der Initialisierungsphase. Von 2025 bis 2034 werden dann rund 50 Projekte umgesetzt. Das Parlament hat hierfür einen Verpflichtungskredit von knapp 400 Millionen Franken genehmigt. Ziele des Programms sind laut BAG «mehr Qualität, insbesondere für die Patientinnen und Patienten, mehr ­Effizienz, mehr Transparenz und eine erhöhte Patientensicherheit».

Mehr Informationen hier

  1. Das «Spitex Magazin» wird in Ausgabe 6/2024 genauer über dieses Projekt berichten. ↩︎
  2. Der eMediplan listet detailliert alle Medikamente auf, die eine Klientin oder ein Klient einnimmt, und soll das interprofessionelle Medikationsmanagement erleichtern, vgl. «Spitex Magazin» 2/2023 und www.eMediplan.ch ↩︎
  3. Mehr Informationen in folgendem Artikel: https://transfer.vet/digitale-kompetenzen-werden-auch-in-der-pflege-immer-wichtiger ↩︎
  4. «Phishing» bezeichnet den Versuch von Kriminellen, über gefälschte Websites, E-Mails oder Textnachrichten an (Zugangs-)Daten zu IT-Systemen oder auch Bankkonten zu gelangen. ↩︎
  5. Vgl. www.bfh.ch/de/forschung/referenzprojekte/strain sowie «Spitex Magazin» 5/2021. ↩︎

Weitere Artikel

«2 Engel für Harry»: Ticket-Verlosung 

RED. «Fränzi und Vesna sind erfahrene Spitex-Pflegerinnen: Weil Vesna heute zu spät kommt, muss Fränzi den alten Harry alleine verso...

Ein spannender Einblick in den Spitex-Alltag 

An der ersten Zentralschweizer Woche der Gesundheitsberufe öffneten viele Spitex-Organisationen ihre Türen für Interessierte. Am Hau...

«Für die Spitex zu arbeiten, hätte mir gefallen»

Rosette Poletti, Spezialistin für Palliativpflege und Trauer aus Yverdon VD, hat mehrere Bestseller geschrieben. Im Interview spricht sie über ihre Freude am Teilen und ihre Bewunderung für die Pflege zu Hause.