SHIP: Grosse Vision, kleine Schritte
Drei Spitex-Organisationen haben erfolgreich getestet, wie der administrative Datenaustausch mit Krankenkassen automatisiert werden kann. Nach Abschluss der Pilotphase steht die Software von SHIP (Swiss Health Information Processing) nun den Spitex-Organisationen zur Verfügung. Dennoch bleiben die Digitalisierung und die damit einhergehende Harmonisierung im Gesundheitswesen eine Herausforderung.

KARIN MEIER. Administrative Abläufe vereinfachen und die richtige Information – wie die digitale Anordnung von Pflegeleistungen – zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen: Das ist die Vision von SHIP (Swiss Health Information Processing), einem digitalen Meldesystem zur Digitalisierung und Automatisierung des Datenaustauschs im Gesundheitswesen (vgl. «Spitex Magazin» 4/2024). SHIP wird von der SASIS AG entwickelt. Die Softwarelösung setzt auf die Standardisierung von administrativen Prozessen nach eCH und verbindet Leistungserbringer wie Spitex-Organisationen, Hausärztinnen und Hausärzte, Spitäler und Pflegeheime mit den Krankenversicherern. Administrative Daten werden automatisiert ausgetauscht, sodass das Einscannen von Dokumenten oder das Verschicken von Briefen entfällt. Die Übermittlung erfolgt datenschutzkonform, verschlüsselt und ausschliesslich zwischen den beteiligten Akteuren.
Von der Vision zur Anwendung
Im stationären Bereich wird SHIP bereits länger für Kostengutsprachen genutzt. Letztes Jahr testeten die Spitex Stadt Luzern, die Spitex Bern und die Spitex Grauholz mit dem Krankenversicherer Helsana in einem Pilotprojekt den Einsatz von SHIP für die digitalisierte Anordnung von Pflegeleistungen. Die Software-Partner root-service und myneva Schweiz integrierten SHIP dafür in ihre Produkte Perigon bzw. myneva.swing. Dank der direkten Einbindung werden Informationen automatisch an die Krankenversicherer übermittelt und Rückmeldungen dazu automatisiert empfangen.
Was einfach klingt, war in der Pilotphase mit Herausforderungen verbunden. «Wir haben den Prozess von Grund auf für Spitex-Organisationen definiert und laufend angepasst», sagt Nicole Zeller, die bei der Spitex Stadt Luzern für das Qualitätsmanagement zuständig ist. Die Harmonisierung der Abläufe in Abstimmung mit den Versicherern war aufwendig: Insgesamt fielen über 500 interne Arbeitsstunden an. «Kleinere Spitex-Organisationen hätten diesen Aufwand nicht leisten können», ist Nicole Zeller überzeugt.
Ähnlich war die Erfahrung bei der Spitex Bern, bestätigt IT-Support-Leiterin Ursula Dolder. Sie traf sich rund zehnmal mit Helsana. Einen Grossteil ihres übrigen Aufwands konnte sie jedoch im Rahmen ihres Tagesgeschäfts erledigen, etwa im 14-täglichen Austausch mit dem Software-Anbieter root-service. Die Spitex Grauholz erlebte die Pionierphase gemäss Geschäftsführer Samuel Sieber als «intensive, zugleich aber spannende und zukunftsweisende Herausforderung, die sich gut in den laufenden Betrieb integrieren liess».
Kooperation mit Hausärzten als Knackpunkt
Die technische Seite ist allerdings nur das eine: Die drei Pilotbetriebe leisteten überdies eine grosse Portion Überzeugungsarbeit, die bis heute anhält. Denn die eCH-Standards vereinfachen die Abläufe nur, wenn auch die anordnenden Hausärzte mitziehen. Deshalb stehen alle drei Spitex-Organisationen mit ihnen in Kontakt, um sie über die Vorteile des Systems zu informieren. «Den Bekanntheitsgrad von SHIP zu fördern und die Hausärztinnen und Hausärzte vom Nutzen zu überzeugen, braucht viel Einsatz», sagt Ursula Dolder. Dabei ist die Teilnahme für die Hausärzte niederschwellig: Eine einmalige Registrierung mit ihrer Praxis-HIN-Mail genügt – und SHIP kann genutzt werden.
Der Erfolg bei der Zusammenarbeit mit Hausärzten fällt unterschiedlich aus: Während bei der Spitex Bern derzeit nur zwei Hausarztpraxen teilnehmen, läuft es bei der Spitex Stadt Luzern mittlerweile besser. «Nach vier Monaten und mehreren Informationsschreiben durch uns und SASIS beteiligten sich zunächst nur drei Praxen bei SHIP. Auf unsere Initiative hin leistete die Vereinigung Luzerner Hausärzte weitere Informationsarbeit, sodass mittlerweile über zehn Hausarztpraxen eingebunden sind», sagt Nicole Zeller. Bei der Spitex Grauholz ist die Resonanz gut: «Ich habe die Hausärztinnen und Hausärzte von Beginn an mit in den Prozess einbezogen, sie frühzeitig und regelmässig orientiert und SHIP als Modell der Zukunft präsentiert. Bis auf wenige Ausnahmen nutzen alle Hausärzte, mit denen wir regelmässig Kontakt haben, SHIP», sagt Samuel Sieber.
SHIP erhöht die Effizienz
Der Aufwand für die drei Pilotbetriebe mag zwar gross gewesen sein, doch er habe sich gelohnt, sagt Samuel Sieber: «Dank uns und unseren Software-Partnern ist SHIP für die Spitex-Branche einsatzbereit und kann mit überblickbarem Aufwand integriert werden.» Das grosse Potenzial von SHIP ist unbestritten, sind sich die Spitex Stadt Luzern, die Spitex Bern und die Spitex Grauholz einig: «Im besten Fall, wenn Krankenkasse und Hausarzt über SHIP kommunizieren, ist der administrative Aufwand deutlich geringer», sagt Petra Messerli, die bei der Spitex Stadt Luzern für den Klientenservice verantwortlich ist. Konkrete Angaben seien schwierig zu machen, meint Samuel Sieber. Dennoch wagt er eine Schätzung: «Allein für eine Bedarfsmeldung dürften dank SHIP mindestens 5 bis 10 Minuten eingespart werden.»
Damit SHIP Fahrt aufnehmen und die Spitex-Organisationen administrativ entlasten kann, müssen nebst den Hausärzten auch die Krankenversicherer mitmachen. Hier sieht die Situation erfreulich aus, auch wenn einige Krankenversicherer an einem Konkurrenzprodukt arbeiten. «Aktuell beteiligen sich Helsana und Concordia bei SHIP, was einem Marktanteil von 22 Prozent entspricht. Weitere Krankenversicherer werden demnächst dazukommen. Für Ende 2026 rechnen wir mit einem Marktanteil von rund 60 Prozent», sagt Michael Stutz, der bei der SASIS AG für SHIP zuständig ist. Bis dann kann der Nutzen von SHIP nicht ausgeschöpft werden. Die SASIS AG berücksichtigt dies mit einem Preismodell, das sich nach der Marktabdeckung von SHIP bei den Krankenversicherern richtet.
Im besten Fall, wenn Krankenkasse und Hausarzt über SHIP kommunizieren, ist der administrative Aufwand dank SHIP deutlich geringer.
Petra Messerli
Spitex Stadt Luzern
Die Digitalisierung braucht Geduld – und Partner
Die Erfahrungen mit dem automatisierten Datenaustausch über SHIP zeigen, wie langwierig die Etablierung eines digitalen Standards im Gesundheitswesen ist. Nichts tun sei jedoch keine Alternative, sagt Michael Stutz: «Man muss irgendwann anfangen und Schritt für Schritt weitere Akteure gewinnen. Und man braucht leidenschaftliche Partner wie unsere aus der Spitex-Branche, die sich für die Digitalisierung engagieren.»
Michael Stutz hofft, dass SHIP bald eine Dynamik erreicht, der man sich nicht mehr entziehen kann. Die Nachfrage nach einer automatisierten, digitalen Datenübermittlung sei da: Bereits haben sich die Spitex Chur, die Spitex Ostermundigen und weitere Spitex-Organisation für die Teilnahme bei SHIP entschieden. Zudem plant nach eigenen Angaben auch Nexus als dritter grosser Software-Anbieter für Spitex-Organisationen, SHIP auf seinem Produkt Nexus/Spitex umzusetzen. Der Grundstein für den automatisierten Datenaustausch im Gesundheitswesen ist somit gelegt – nun braucht es Mut und Mitstreiter, um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Die Kontaktdaten von SHIP sind:
ship-services@sasis.ch
Tel. 032 625 42 40