Erfahrungswissen von Angehörigen: eine unterschätzte Ressource

Beim Betrachten der zentralen Partnerschaften der Spitex darf eine Gruppe nicht vergessen gehen: die Angehörigen der Spitex-Klientinnen und -Klienten. Wieso diese für eine gute Pflege wichtig sind, erläutert Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO).

SUSANNE GEDAMKE. Im Gesundheitswesen sollte nichts über den Kopf der Betroffenen hinweg geschehen. Insbesondere in der Langzeitpflege gilt dies neben den Patientinnen und Patienten oder Klientinnen und Klienten selbst vor allem auch für Angehörige. Kein Mensch lebt komplett isoliert. Die meisten Menschen, auch pflegebedürftige, sind eingebettet in ein soziales Netzwerk aus Partnerschaft, Freundschaft und Familie. Das Erfahrungswissen von Angehörigen stellt eine wichtige Ressource für den Pflege- und Betreuungsprozess dar und birgt grosse Vorteile für diesen:

Werden Angehörige als
kompetente Partner auf Augenhöhe eingebunden, gewinnen am Ende alle.

SUSANNE GEDAMKE

Geschäftsführerin Schweizerische Patienten- organisation SPO

  • Bessere Qualität: Niemand kennt die betreute Person besser und vor allem länger als deren Angehörige. Diese können eine Quelle für wertvolle Informationen über die Bedürfnisse, die Geschichte und den Gesundheitszustand sein. Damit ergänzen sie die Informationen der pflegebedürftigen Person selbst sowie die Informationen durch das Fachpersonal. So kann die Pflege auf die Bedürfnisse der zu betreuenden Person abgestimmt werden, was die Qualität insgesamt erhöht.
  • Soziale und emotionale Einbettung: Pflegebedürftigkeit ist eine emotionale und soziale Belastung. Angehörige können Kraft und Trost spenden und dabei helfen, die emotionalen Herausforderungen der schwierigen Situation zu bewältigen. Die aktive Einbeziehung der Angehörigen in den Pflegeprozess stärkt zudem das Vertrauen aller Beteiligten. 
  • Bessere Kontinuität: Wenn die betreuende Fachperson nach Abschluss ihres Arbeitstages geht, sind die Angehörigen gefragt. Dies verbessert die Kontinuität der der Betreuung, insbesondere bei der Überwachung der medizinischen Behandlung und der Nachsorge.
  • Interprofessionalität: In einer integrierten Versorgung sind Angehörige ein integraler Teil des interprofessionellen Teams – das heisst, ihre Ressourcen und ihre Schnittstellenfunktion können gezielt genutzt werden.


Bei allen genannten Vorteilen sind sowohl Fachpersonen als auch Angehörige bei einem verstärkten Einbezug gefordert, beispielsweise in der Kommunikation. So unterscheidet sich die Fachsprache in der Medizin und Pflege nach wie vor erheblich von der Sprache der Betroffenen, was zu Barrieren und Missverständnissen führen kann. Ebenfalls gehen die Fach- und Betroffenenperspektive bekanntermassen auch häufig auseinander: Was medizinisch oder pflegerisch sinnvoll erscheint, kann für die betroffenen Menschen nicht nachvollziehbar sein. Ein Einbezug kostet dementsprechend einen gewissen kommunikativen Mehraufwand – der sich jedoch lohnt, wenn damit die Lebensqualität der Betroffenen massgeblich gesteigert werden kann. Unterstützend wirken kann dabei digitale Technologie, indem sie die Kommunikation der beiden Bezugsgruppen vereinfacht und so Missverständnissen vorbeugt.

Angehörige sind mehr als nur Freunde und Familie – sie sind Expertinnen und Experten im Leben der betroffenen Menschen.

SUSANNE GEDAMKE

Geschäftsführerin Schweizerische Patienten­organisation SPO

Kurzum: Angehörige sind mehr als nur Freunde und Familie – sie sind Expertinnen und Experten im Leben der betroffenen Menschen. Werden sie als kompetente Partner auf Augenhöhe eingebunden, gewinnen am Ende alle.

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