Wenn die Betreuung mit dem Tod nicht endet

Zwei Mitarbeiterinnen der Spitex Oberaargau AG sorgen dafür, dass vom Grabschmuck bis zu den nötigen Formularen alles rund um Beerdigungen organisiert ist. Das Duo berichtet von aussergewöhnlichen Aufträgen, von Trends rund um Bestattungen und von der unklaren Zukunft des Angebots.


KATHRIN MORF. Mancherorts ist die Spitex nicht nur von der Geburt bis zu den letzten Lebenstagen für die Menschen da, sondern auch nach deren Tod. So kümmert sich die Spitex Glarus Süd um die Leichenpflege und das Einsargen von Verstorbenen und die Spitex Opfikon (ZH) ist für deren Waschen und Einkleiden zuständig 1. An dieser Stelle wird indes auf die entsprechende Dienstleistung der Spitex Oberaargau AG (BE) eingegangen, die besonders umfassend ist: Hier sind die 61-jährige Fachfrau Gesundheit (FaGe) Katharina «Käthi» Probst sowie ihre Stellvertreterin, die 64-jährige Pflegefachfrau HF Jasmin Viecelli, für die umfassende Organisation von Begräbnissen verantwortlich.

Wie das Angebot seinen Anfang nahm
Seinen Anfang nahm dieses Angebot vor einem guten Jahrzehnt: «Eine Büro-Mitarbeiterin der Spitex Obera­argau AG wurde vom Präsidenten der Friedhofskommission von Wangen an der Aare privat angefragt, ob sie Tätigkeiten wie Gespräche mit Hinterbliebenen, Mithilfe bei Beisetzungen  oder zum Beispiel auch die Erledigung von administrativen Tätigkeiten übernehmen will», ­berichtet Verena Zimmermann, Geschäftsführerin der Spitex Oberaargau AG. So habe jene Mitarbeiterin dieses Angebot in den Spitex-Betrieb gebracht.

Durchschnittlich zwei bis drei Begräbnisse organisiert die Spitex seither pro Monat und wendet pro Auftrag fünf bis acht Stunden auf. Die Gemeinde Wangen an der Aare bezahlt den Service bei Begräbnissen der eigenen Einwohnerinnen und Einwohner, für Verstorbene aus anderen Gemeinden ist das Angebot kostenpflichtig.

Die Spitex-Mitarbeiterinnen Katharina Probst (links) und Jasmin Viecelli auf dem Friedhof von Wangen an der Aare (BE), wo sie Begräbnisse organisieren. Bild: Michel Lüthi

Was das Angebot umfasst
Meist werden Katharina Probst und Jasmin Viecelli vom Bestatter beigezogen, wenn die Angehörigen den Service der Spitex wünschen. Daraufhin besuchen der Bestatter und die jeweilige Spitex-Mitarbeiterin nach Möglichkeit gemeinsam die Angehörigen für eine Besprechung des Begräbnisses. «Die Angehörigen bestimmen, welche Aufgaben wir übernehmen», erklärt Verena Zimmermann. «Mir fällt keine Bitte ein, die wir Angehörigen je abschlagen mussten», ergänzt Katharina Probst. 

Die Spitex-Mitarbeiterinnen  füllen meistens das Sterbe-­ sowie das Bestattungsformular aus und lassen diese der Gemeinde und dem Pfarramt zukommen, organisieren den gewünschten oder diensthabenden Pfarrer und benachrichtigen den Friedhofsgärtner, damit er ein Grab aushebt. «Sogar mit dem Militär treten wir in Kontakt, denn neben dem Friedhof von Wangen an der Aare liegt ein Militärgelände. Findet ein Begräbnis statt, werden dort die Schiessübungen pausiert», berichtet Jasmin Viecelli. Weiter bestellen die Spitex-Mitarbeiterinnen zum Beispiel oft den gewünschten Grabschmuck beim Blumenladen und schmücken Grab oder Urne damit. «Manchmal basteln wir auch selbst Grabschmuck aus Efeu und Blumen», erzählt Jasmin Viecelli. Teilweise kümmern sich die Spitex-Mitarbeiterinnen auch um das Waschen und Einkleiden der Verstorbenen – und sie tragen an der Beerdigung oft die Urne oder den Blumenschmuck vor der Prozession her und schaufeln bei Urnenbeisetzungen sogar selbst das Grab zu. 

Mir fällt keine Bitte ein,
die wir Angehörigen je abschlagen mussten.

Katharina Probst

Fachfrau Gesundheit Spitex Oberaargau AG

Was die Zuständigen motiviert und wie sie trauern
«Habe ich für einen verstorbenen Menschen alles Mögliche getan, bringt mir dies eine innere Zufriedenheit», sagt Jasmin Viecelli. «Schliesslich sorgen wir für einen schönen Abschied all dieser Menschen», ergänzt «Käthi» Probst. Besonders tröstlich für sie selbst sei dies, wenn sie die Verstorbene oder den Verstorbenen lange gepflegt habe. «Das Begräbnis zu organisieren, ist für mich dann ein schöner Abschluss der Pflege dieser Menschen», fügt sie an. Zum Abschiednehmen gehört für die Spitex-Mitarbeiterinnen auch, dass sie vor der Leichenpflege ein Fenster öffnen, «damit die Seele nach draussen darf», wie Jasmin Viecelli erklärt. Und dass sie für die Angehörigen da sein dürfen. «Wir können ihnen in dieser schweren Zeit vieles abnehmen und erleichtern und ein offenes Ohr für sie haben. Das ist eine schöne Aufgabe», sagt Katharina Probst. 

Brauchen die Spitex-Mitarbeiterinnen selbst Hilfe beim Verarbeiten eines Todesfalls, können sie sich jederzeit mit ihrem Team austauschen. Stark belastend war für die beiden bisher allerdings nur ein Auftrag. «Unglaublich traurig war die Beerdigung eines einjährigen Mädchens, das vom Zug erfasst worden war», erzählt Katharina Probst.

Habe ich für einen
verstorbenen Menschen alles Mögliche getan, bringt mir dies eine innere Zufriedenheit.

Jasmin Viecelli

Pflegefachfrau HF Spitex Oberaargau AG

Die eigene Beerdigung planen
Manchmal sind es nicht die Angehörigen, welche die beiden Spitex-Mitarbeiterinnen beauftragen. «Manche Menschen wollen ihr Begräbnis zu Lebzeiten organisieren und laden uns darum ein», berichtet Jasmin Viecelli. «Auch ihre Wünsche erfüllen wir gern. Eine Klientin wollte zum Beispiel in ihrem Hochzeitskleid beerdigt werden», erzählt Katharina Probst. 

Teilweise wenden sich dabei Menschen an die Spitex, die ihr Todesdatum bereits kennen. «Immer mehr Personen scheiden mit Sterbehilfeorganisationen wie Exit aus dem Leben und nehmen in den Wochen vor dem Termin den Begräbnisservice in Anspruch», erklärt Jasmin Viecelli. «Diese Gespräche sind sehr speziell. Diese Menschen leiden oft stark, beweisen aber auch sehr viel Mut.» 

Die Religionen und zwei Trends
Die meisten vom Duo organisierten Begräbnisse sind reformiert, einige sind katholisch – und mitten in der Corona-Pandemie galt es eine Abschiedsfeier einer Muslima zu organisieren. «Das war spannend. Zum Beispiel nahmen aussergewöhnlich viele Menschen am Begräbnis teil, durch das ein Imam führte, und die Verstorbene wurde mit dem Kopf gegen Mekka beerdigt», berichtet Katharina Probst. 

Zwei weitere Trends neben den zunehmenden assistierten Suiziden machen die beiden Mitarbeiterinnen aus: Erstens sind immer mehr Begräbnisse konfessionslos, weswegen die Angehörige zunehmend freie Rednerinnen und Redner wünschen. «Zweitens nehmen immer mehr Angehörigen die Urne nach der Abdankungsfeier auf dem Friedhof mit, um die Asche an einem schönen Ort zu verstreuen», sagt Jasmin Viecelli. 

Jasmin Viecelli (Bild) fertigt mit ihrer Kollegin Katharina Probst oft Dekoration aus Efeu und Blumen an und zündet Kerzen an, um eine Urnenbestattung schön zu gestalten.
Foto: Michel Lüthi

Vom Feedback – und der unsicheren Zukunft
«Manchmal erhalten wir Dankesbriefe von Angehörigen, was sehr schön ist», erzählt Jasmin Viecelli. Auch auf der Gemeindeverwaltung von Wangen an der Aare weiss man von positivem Feedback zu berichten: «Die Angehörigen fühlen sich von der Spitex gut informiert und unterstützt», sagt Gemeindeschreiber-Stellvertreterin Michele Urben. «Und auch wir schätzen diese Dienstleistung der Spitex, welche den Angehörigen die Organisation des Begräbnisses erleichtert und es ermöglicht, eine Betreuung und Beratung auch ausserhalb unserer Schalteröffnungszeiten anzubieten.» 

Die Zukunft der Dienstleistung ist jedoch ungewiss: Jasmin Viecelli geniesst ab 2026 ihren wohlverdienten Ruhestand, und die Suche nach einem Ersatz innerhalb und ausserhalb der Spitex hat bisher keine Früchte getragen (Stand: Mitte Juli 2025). «Das Thema Tod ist für viele Menschen ein schwieriges», mutmasst Katharina Probst über die Gründe. Die Gemeinde Wangen an der Aare hofft, dass dennoch bald eine neue Stellvertretung für Katharina Probst gefunden werden kann, «um den Angehörigen in dieser schweren Zeit weiterhin eine unkomplizierte und unterstützende Dienstleistung anbieten zu können», wie Michele Urben sagt. «Auch die Spitex Oberaargau AG fände es schön, wenn sie dieses Angebot weiterführen könnte», sagt Geschäftsführerin Verena Zimmermann. «Denn die Spitex kümmert sich um Menschen in allen Lebensphasen, und der Tod gehört nun einmal zu jedem Leben dazu.»

«Wie viel Tod verträgt ein Team?» CAS-Arbeit mit Massnahmen der Spitex zum Umgang mit dem Tod
Nina Zürcher, Fachverantwortliche Palliative Care / Onkologie bei der Spitex Oberaargau AG, schliesst derzeit ihren CAS in Palliative Care an der Palliativakademie Bern mit der Diplomarbeit zum Thema «Wie viel Tod verträgt ein Team?»
ab. Die fertige CAS-Arbeit wird ab November 2025 zur Verfügung stehen. Mittels einer Literaturrecherche untersucht Nina Zürcher darin, wie Spitex-Teams besser mit dem Tod umgehen können, um die emotionale Stabilität der Pflegenden zu fördern. Die Autorin rät zuerst einmal, dass Tod und Sterben im Team aktiv thematisiert werden und dass Trauer im Beruf kein Tabuthema sein darf. Weiter empfiehlt sie folgende Massnahmen:

Arbeitsgestaltung: Zeit für schöne Momente mit Klientinnen und Klienten erleichtert später die Verarbeitung von deren Tod. Nach dem Miterleben eines Todesfalls hilft es ­vielen Pflegenden zudem, wenn sie nach Möglichkeit nicht sofort wieder mit dem Tod im beruflichen Alltag konfrontiert werden.

Rituale: Rituale wie ein Gedenkbuch oder symbolische Handlungen können Trauerprozesse unterstützen und den Zusammenhalt im Team fördern. 

Seelsorge: Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können. Dies kann etwa in Fallbesprechungen, durch Supervision, ein strukturiertes Debriefing nach einem Todesfall oder durch externe Fachpersonen geschehen.

Selbstfürsorge: Die Pflegefachkräfte sollten Selbstfürsorge praktizieren, etwa durch Achtsamkeitsübungen, die auch in Teamsitzungen integriert werden können.

  1. www.spitex-glarus-sued.ch/Dienstleistungen/Leichenpflege; www.opfikon.ch/dienstleistungen/53117 ↩︎

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