Vier Mitarbeitende berichten über die Freuden und Herausforderungen der nächtlichen Arbeit
In vier Porträts erzählen Mitarbeitende der Spitex und von Medphone von ihrer abwechslungsreichen und vielseitigen Arbeit in der Nacht, wie sie nach einem nächtlichen Einsatz am besten abschalten können und wie es ihnen gelingt, eine gute Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten.
FLORA GUÉRY UND EVA ZWAHLEN
1. «In der Nacht muss ich schnell und effektiv handeln»
2. «Mit dem Nacht-Pikett-Dienst entlasten wir auch Spital-Notfälle»
3. «Nach der Nachtschicht hilft mir Sport beim Abbau von Stress und Koffein»
4. «Keine Nacht ist wie die andere – das gefällt mir»
«In der Nacht muss ich schnell und effektiv handeln»
Die Spitex arbeitet für ihre nächtlichen Dienstleistungen mit verschiedenen Partnerorganisationen zusammen – zum Beispiel mit der Notrufzentrale Medphone. Die 27-jährige diplomierte Pflegefachfrau HF Vanesa Popic berichtet aus ihrem Arbeitsalltag als medizinische Beraterin bei Medphone und davon, wie wichtig eine gesunde Work-Life-Balance sowie genügend Schlaf sind.
Nach mehreren Jahren Berufstätigkeit auf der Neurochirurgie im Berner Inselspital suchte Vanesa Popic eine neue Herausforderung. Diese fand die diplomierte Pflegefachfrau HF im Frühjahr 2024 als medizinische Beraterin im Vollzeitpensum bei Medphone. Von 22.50 Uhr bis 6.50 Uhr nimmt die 27-jährige Bernerin zwischen 20 und 25 Anrufe entgegen, die sich um Notfälle oder medizinische Fragen drehen. Viele davon sind von Spitex-Klientinnen und -Klienten.
Wenn ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist
«Wenn ein Klient oder eine Klientin der Spitex anruft, stelle ich in einem ersten Schritt gezielte Fragen, um zu verstehen, worum es beim Anliegen geht, ob ich es eigenständig lösen kann oder wie dringlich es ist», beschreibt Vanesa Popic ihre Arbeit. «Je nachdem ziehe ich die Pikett-Mitarbeitenden der Spitex hinzu, insbesondere dann, wenn es um dringende medizinische Interventionen oder Pflegeleistungen geht. Mein Ziel ist es, schnell und effektiv zu handeln, um die bestmögliche Unterstützung für den Klienten oder die Klientin zu gewährleisten.» Die Arbeit mit dieser Klientel setzt eine besondere Sensibilität und Verständnis für deren individuelle Bedürfnisse voraus, so Vanesa Popic, denn: «Spitex-Klientinnen und -Klienten sind oft auf kontinuierliche Betreuung angewiesen. Ihre Anliegen haben meist einen direkteren Bezug zur Pflege und Unterstützung.» Die grösste Herausforderung dabei ist der Umstand, dass Vanesa Popic die Anrufenden lediglich am Telefon und nicht, wie vorher im Spital, persönlich und von Angesicht zu Angesicht sprechen kann. Ein Anruf bleibt der 27-Jährigen in besonderer Erinnerung und zeigt die grosse Verantwortung, die es zu tragen gilt: «Ich hatte eine ältere Frau am Telefon, die vermutlich an fortgeschrittener Demenz litt. Zu Beginn reagierte sie sehr zurückhaltend und manchmal auch verwirrt, was zu Unklarheiten meinerseits führte. Durch eine behutsame und wiederholte Kommunikation konnte ich die Klientin beruhigen und den Pikett-Dienst involvieren.» Auch Anrufe von Spitex-Mitarbeitenden nimmt die Medphone-Beraterin entgegen. Die häufigsten Anliegen sind medizinische Fragen, Unterstützung in Notfallsituationen und Hilfe bei kritischen Entscheidungen.
Eine gesunde Work-Life-Balance ist wichtig.
Vanesa Popic
Dipl. Pflegefachfrau HF und Medphone-Beraterin
«Genügend Schlaf und eine gesunde Work-Life-Balance sind wichtig»
An den Nachteinsätzen für Medphone schätzt Vanesa Popic die abwechslungsreiche Arbeit und die Möglichkeit, in einem ruhigen Umfeld konzentriert zu arbeiten. Die finanziellen Nachtzuschläge stellen für sie einen zusätzlichen Anreiz dar. Allerdings birgt die Nachtarbeit auch Herausforderungen. So betont die diplomierte Pflegefachfrau, dass sie besonders darauf achten muss, genügend zu schlafen und ihre Arbeit mit dem Privatleben in Einklang zu bringen: «Eine gesunde Work-Life-Balance ist wichtig. Zudem treibe ich in meiner Freizeit Sport, reise gerne und verbringe Zeit mit meiner Familie.» Medphone unterstützt Vanesa Popic durch flexible Arbeitszeitmodelle: So umfasst ihr Modell ein Schichtsystem, das sowohl Tag-, Spät- als auch Nachtdienste beinhaltet. So kann Medphone eine durchgehende Erreichbarkeit sicherstellen.
Die ärzteeigene Notrufzentrale – auch für die Spitex
Medphone ist eine während 365 Tagen und rund um die Uhr erreichbare Notrufzentrale, die 2004 auf Initiative der Ärztegesellschaft des Kantons Bern gegründet wurde. In den Kantonen Bern und Luzern stellt die Organisation den offiziellen ärztlichen Notfalldienst. Medphone finanziert sich über Beiträge der Ärzteschaft, der Patientinnen und Patienten (kostenpflichtige Notfallnummer) sowie über Dienstleistungen für Dritte. Eine dieser Dienstleistungen ist die Unterstützung von Pflege- und Betreuungsorganisationen wie der Spitex inner- und ausserhalb der regulären Telefonzeiten. Derzeit greifen 13 Spitex-Organisationen auf die kostenpflichtigen Dienstleistungen zurück, drei davon haben keinen Leistungsvertrag der öffentlichen Hand. 2023 verzeichnete Medphone ein Anrufvolumen von nahezu 83 000 Anrufen. Davon stammten durchschnittlich 10 Anrufe pro 24 Stunden von Spitex-Klientinnen und -Klienten – vor allem abends und nachts. Seit 2017 ist die Warteschlaufe bei Medphone kostenfrei, was bedeutet, dass Anrufe erst bei deren Entgegennahme verrechnet werden. Um Spitex-Klientinnen und -Klienten möglichst rasch bedienen zu können, erhalten Spitex-Betriebe von Medphone eine personalisierte Festnetznummer. So können Anrufe im Durchschnitt innerhalb von 6 Sekunden entgegengenommen werden. Bei der Anrufentgegennahme wird zwischen medizinischen und pflegerischen Notfällen unterschieden. Bei einem medizinischen Notfall vermitteln die Mitarbeitenden entweder eine Notfallärztin, einen Notfallarzt oder den Rettungsdienst. Bei einem Pflegenotfall kontaktieren sie den Spitex-Pikett-Dienst. Sollte kein Pikett-Dienst verfügbar sein, so unterstützt Medphone die Klientinnen und Klienten oder die Angehörigen während der Nacht durch telefonische Beratung und Begleitung. Das Medphone-Team besteht aus diplomierten Pflegefachpersonen HF, medizinischen Praxisassistentinnen und -assistenten (MPA) und Fachleuten Gesundheit (FaGe).
Medphone
«Mit dem Nacht-Pikett-Dienst entlasten wir auch Spital-Notfälle»
Die 22-jährige diplomierte Pflegefachfrau HF Carina Wolf übernimmt monatlich bis zu vier Nacht-Pikett-Einsätze für die Klientinnen und Klienten der Spitex Zulg. Die Gründe für die Einsätze sind vielfältig und betreffen unter anderem undichte Stomas, Panikattacken, schwere Schmerzen und Geräte, die Alarm schlagen.
Carina Wolf arbeitet seit dem Abschluss ihres letzten Praktikums zur diplomierten Pflegefachfrau im Herbst 2024 bei der Spitex Zulg. Die 22-Jährige übernimmt, wie auch alle anderen diplomierten Pflegefachpersonen in der Organisation, zwei bis vier obligatorische Nacht-Pikett-Einsätze pro Monat. Das Besondere daran: Die Mitglieder des Pikett-Teams organisieren sich komplett selbstständig und gestalten den Dienstplan aktiv mit.
Dass wir uns selbst organisieren können und den Dienstplan aktiv gestalten, schätze ich sehr.
Carina Wolf
Dipl. Pflegefachfrau HF und Mitglied des Pikett-Teams Spitex Zulg
Angebot für Klientinnen und Klienten – und auch für pflegende Angehörige
Carina Wolfs Pikett-Dienste sind abwechslungsreich: «Ab 21 Uhr treffen Anrufe bei Pflegenotfällen auf meinem Diensttelefon ein. Dieses ist immer in meiner Nähe und auf laut gestellt.» Die Anrufe werden im Vorfeld durch Medphone triagiert, manchmal spricht Carina Wolf auch direkt mit den Klientinnen und Klienten. Innerhalb einer Stunde ist die Pflegefachfrau bei einem Pflegenotfall vor Ort bei der Klientin oder dem Klienten. «Die meisten Anliegen betreffen undichte Stomas. Ich werde auch in palliativen Situationen gerufen, etwa, wenn Geräte Alarm schlagen. Manche Klientinnen und Klienten melden sich bei Panikattacken oder bei schweren Schmerzen», berichtet Carina Wolf von ihren Einsätzen. Immer wieder leitet sie auch pflegende Angehörige telefonisch an. Die Zusammenarbeit ist interprofessionell, so hat die Spitex-Mitarbeiterin regelmässig mit Notärztinnen und -ärzten oder Rettungsdiensten zu tun. Um 7 Uhr in der Früh ist der Dienst zu Ende.
Wichtige Begleitung durch die Vorgesetzten
Die junge Pflegefachfrau trägt eine grosse Verantwortung: So nimmt sie, wie auch alle anderen Mitglieder des Pikett-Teams, den Pikett-Dienst allein wahr und trifft die Entscheidungen zu notwendigen Schritten weitestgehend selbstständig. Besonders zu Beginn könne dies herausfordernd sein, sagt Carina Wolf. Dabei fühlt sie sich allerdings gut durch ihre Vorgesetzten bei der Spitex Zulg begleitet: «Sie haben immer ein offenes Ohr für persönliche Anliegen oder wenn ich über eine herausfordernde Situation mit einer Klientin oder einem Klienten sprechen möchte.» Dabei wird das Erlebte zeitnah evaluiert und gemeinsam nach individuellen Lösungen gesucht. Die Pikett-Dienste haben für die 22-Jährige auch viele Vorteile, wie sie sagt: «Die Einsätze werden zusätzlich vergütet und wir können den Dienstplan selbst gestalten. Das schätze ich sehr.» Jeder Dienst verläuft anders, und die Herausforderung besteht darin, in jeder Situation aus dem erlernten Fachwissen zu schöpfen, um das Beste für die Klientinnen und Klienten herauszuholen. Über den Pikett-Dienst der Spitex Zulg sagt Carina Wolf: «Er ist ein wichtiges Angebot, weil er unserer Klientel eine gewisse Sicherheit gibt. Zudem entlastet er andere Institutionen im Gesundheitswesen, wie etwa Spital-Notfälle, weil nötige Pflegeinterventionen direkt durch uns gemacht werden können.» Die Dankbarkeit ist gross. Dies erfuhr Carina Wolf auch im Falle eines undichten Stomas, das sie kürzlich bei einer Klientin versorgen musste: «Trotz später Stunde ergab sich danach ein interessantes Gespräch.» Den Ausgleich holt sich die 22-Jährige beim Fotografieren, Kochen oder indem sie Zeit mit Freunden und der Familie verbringt.
Sorglose Nächte und Sicherheit rund um die Uhr bei der Spitex Zulg
Seit 2010 bietet die Spitex Zulg in Steffisburg (BE) einen Pikett-Dienst an, der ausschliesslich den rund 400 bestehenden Klientinnen und Klienten zur Verfügung steht. Aktuell decken rund 15 diplomierte Pflegefachpersonen den telefonischen Pikett-Dienst von 21 Uhr bis 7 Uhr für Notfälle ab. Die Triage dieser pflegerischen Notfälle erfolgt über Medphone. Die Mitarbeitenden nehmen jährlich zwischen 50 und 60 Anrufe entgegen und sind bei Bedarf innerhalb von spätestens einer Stunde vor Ort. Die Mitglieder des Pikett-Teams sind hauptsächlich im Tagesgeschäft tätig und organisieren die Nachtdienste selbstständig. Die Einsätze werden nach den gesetzlichen Vorgaben entschädigt. Das Pikett-Angebot der Spitex entlastet auch Angehörige, indem das Pikett-Team bei Fragen und Unsicherheiten auch neben den regulären Bürozeiten als Anlaufstelle erreichbar ist und, wenn nötig, vor Ort kommt. Nachteinsätze werden über die Krankenkasse abgerechnet und vom Kanton restfinanziert.
Spitex Zulg
«Nach der Nachtschicht hilft mir Sport beim Abbau von Stress und Koffein»
Der 26-jährige Fachmann Gesundheit Arlind Maksuti arbeitet in einem Nachtdienst-Team von Spitex Zürich. Er bezeichnet sich selbst als «Nachteule» und geht nach seinen Einsätzen als erstes ins Gym, um den Stress und die vielen Kaffees abzubauen. An seinen Einsätzen schätzt er unter anderem die Eigenständigkeit und die nächtliche Ruhe.
Seit August 2023 arbeitet der Fachmann Gesundheit (FaGe) Arlind Maksuti bei Spitex Zürich. Bevor er im Juni 2024 Vollzeit ins Team Nord der Nacht-Spitex übertrat, arbeitete Maksuti im Tag- und Abenddienst. Der 26-jährige Zürcher sagt von sich: «Ich bin eine Nachteule und fühle mich wohl in der Nacht.» Arlind Maksuti schätzt an seinen Einsätzen die Eigenständigkeit, die nächtliche Ruhe, die finanziellen Zuschläge und den Umstand, dass es nachts kaum Verkehr hat.
Überraschender Einsatz bei Kaffee und Kuchen
Arlind Maksutis Dienst beginnt um 21.30 Uhr an der Rotbuchstrasse. Als Erstes tauschen alle Mitarbeitenden, die Dienst haben, einsatzbezogene Informationen aus. Arlind Maksuti liest sich zudem detailliert ein, bereitet sein Material und die Schlüssel seiner Klientinnen und Klienten vor. Auch die sorgfältige Kontrolle seines Einsatzfahrzeuges gehört zur Vorbereitung dazu. Kurz nach 22 Uhr beginnt der FaGe mit seinem ersten Einsatz – in einem Nachtdienst können es gut und gerne bis zu 13 Einsätze werden. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen Kontrollbesuche und unterschiedliche pflegerische Einsätze. Auch Notfälle übernimmt er in Absprache mit der verantwortlichen Pflegefachperson. Eine Pause gönnt er sich gegen 3 Uhr in der Früh im Zentrum in Wipkingen, zusammen mit seinen Arbeitskolleginnen und -kollegen. Zwischen 6.30 Uhr und 7 Uhr ist sein Dienst zu Ende. Bei seinen nächtlichen Einsätzen erlebt der 26-Jährige viel. Dabei erinnert er sich besonders gerne an folgende Anekdote: «Während einer Nachtschicht wurde ich zu einer Klientin gerufen. Weshalb, war mir zuerst nicht ganz klar. Schliesslich stellte sich heraus, dass sich die Klientin mit Kaffee und Kuchen bei mir für meine nächtlichen Einsätze bedanken wollte. Dies hat mich sehr gefreut und zeigt auch die Wertschätzung meiner Arbeit.»
Ich bin eine Nachteule und fühle mich wohl in der Nacht.
Arlind Maksuti
Fachmann Gesundheit und Mitarbeiter der Nacht-Spitex der Spitex Zürich
Ausgewogene Ernährung und soziale Kontakte sind wichtig
Auf die Frage, wie es Arlind Maksuti gelingt, abzuschalten, antwortet er: «Nach den Nachtdiensten gehe ich tatsächlich erstmal ins Gym zum Training. Dies hilft mir, den Stress sowie den Koffeingehalt abzubauen, damit ich anschliessend auch richtig gut schlafen kann.» Arlind Maksuti versucht, sieben bis acht Stunden zu schlafen und achtet auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung, damit sein Tag-Nacht-Rhythmus nicht allzu stark durcheinander kommt. Nach Möglichkeit verbringt der FaGe Zeit mit seiner Familie oder unternimmt etwas mit seiner Freundin oder mit Freunden. Zudem hat er nach dem Nachtdienst jeweils mindestens zwei Tage am Stück frei, was er sehr schätzt und der Erholung dient.
Seit 17 Jahren fester Bestandteil in Zürich – die Nacht-Spitex
Seit nunmehr 17 Jahren bietet Spitex Zürich eine eigene Nacht-Spitex für die Stadt Zürich, alle Gemeinden des Bezirks Horgen, die SRK-Notrufe und die Wohnungen der Stiftung Alterswohnungen (SAW) der Stadt Zürich an. Zwei Teams mit aktuell 22 Mitarbeitenden bilden die Nacht-Spitex. Alle arbeiten ausschliesslich nachts. Die beiden Nacht-Teams versorgen rund 85 Klientinnen und Klienten regelmässig, einzelne zwei- bis dreimal pro Nacht. Sie führen jede Nacht von 22 Uhr bis 7 Uhr total sieben Touren mit insgesamt zwei bis drei tertiären Mitarbeitenden und vier bis fünf Fachleuten Gesundheit (FaGe) durch. Eine Tour ist fix in der Verantwortung einer diplomierten Pflegefachperson, die ebenfalls für die Notfall-Triage zuständig ist. 2023 wurden 31 884 Einsätze geleistet, in den vergangenen Jahren nahm die Zahl kontinuierlich zu. Die Finanzierung erfolgt via Leistungsvereinbarung mit der Stadt Zürich und mit den Gemeinden im Bezirk Horgen. Spitex Zürich erbringt somit für und in Koordination mit verschiedenen Organisationen in der Stadt Zürich, etwa dem SRK-Notruf, dem Ärztefon oder der SAW-Securitas, die ambulante nächtliche Erstversorgung.
Spitex Zürich
«Keine Nacht ist wie die andere – das gefällt mir»
Das Team IMUD (Infirmier/ère Mobile Urgences Domicile) ist täglich im Einsatz, tagsüber und auch nachts. Die 64-jährige Carole Muhmenthaler ist seit kurzem Mitglied dieses Teams, das zur «Association broyarde pour la promotion de la santé et le maintien à domicile» (ABSMAD) gehört und eng mit der Notfallstation des Interkantonalen Spitals der Broye (HIB) zusammenarbeitet. Sie erklärt, was ihre Arbeit ausmacht, warum sie die Nachtschichten schätzt und wie sie ihre Energie in diesem anspruchsvollen Umfeld aufrechterhält.
Nach langjährigem Einsatz in der Akutpflege, insbesondere auf der Intensivstation und in der Notaufnahme, wechselte Carole Muhmenthaler zur Spitex. Im April 2023 stiess die 64-jährige Pflegefachfrau zum IMUD-Team, dessen Ziel es ist, der Bevölkerung des Broyebezirks rund um die Uhr eine sozialmedizinische Antwort zu geben. «Es ist eine wunderschöne Region, in der viele alleinstehende ältere Menschen leben, die nicht mehr Auto fahren. Ihnen zu Hause Unterstützung bieten zu können, auch nachts, ist sehr befriedigend», versichert die Pflegefachfrau, die in einem 70-Prozent-Pensum arbeitet und in Fétigny (FR) lebt.
Garantierte Antwort innerhalb von zwei Stunden
Als IMUD wechselt Carole Muhmenthaler zwischen geplanten und ungeplanten Einsätzen. «Während der Nacht haben wir bis zu vier geplante Einsätze. Dabei geht es oft darum, Antibiotika zu verabreichen oder palliativmedizinische Situationen zu betreuen. Wir werden aber auch für nicht lebensbedrohliche Notfälle vom diensthabenden Arzt oder von den Klientinnen und Klienten der Spitex-Organisationen der waadtländischen und freiburgischen Broye aufgeboten. Denn die Anrufe dieser Organisationen werden während der Nacht auf die Leitung unseres IMUD-Teams umgeleitet», erklärt sie. Derzeit ist pro Schicht eine einzige Pflegefachperson im Einsatz, sowohl tagsüber als auch nachts. «Wir garantieren eine Antwort innerhalb von zwei Stunden. Darum müssen wir manchmal Prioritäten setzen, je nach Situation und Entfernung», sagt sie. Carole Muhmenthaler betont, dass diese Arbeit ein hohes Mass an Selbstständigkeit, ein starkes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und viele nächtliche Fahrten erfordert. «Am Anfang fand ich es stressig, in der Dunkelheit meinen Weg zu suchen. Zum Glück sind unsere Fahrzeuge mit guten GPS-Geräten ausgestattet.»
Alleinstehenden, älteren Menschen Unterstützung zu Hause zu bieten, insbesondere auch in der Nacht, ist sehr befriedigend.
Carole Muhmenthaler
Pflegefachfrau im IMUD-Team
Hand in Hand mit dem Personal der Notaufnahme
Das IMUD-Team ist in der Notfallstation des Interkantonalen Spitals der Broye (HIB) angesiedelt, was eine enge Zusammenarbeit ermöglicht. In der Notaufnahme besteht die Aufgabe des IMUD-Teams darin, bei der Beurteilung älterer und gefährdeter Personen mitzuhelfen und die Rückkehr nach Hause zu erleichtern, wenn ein Krankenhausaufenthalt vermieden werden kann. Carole Muhmenthaler unterstützt das Personal der Notaufnahme gerne bei verschiedenen Pflegemassnahmen wie dem Legen von venösen Zugängen, der Durchführung von Elektrokardiogrammen oder bei der Beantwortung von Anfragen von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen. Die Pflegefachfrau schätzt die besondere Atmosphäre während der Nacht: «Ich tausche mich mehr mit dem Pflegepersonal und Ärztinnen und Ärzten aus und fühle mich in die Betreuung integriert.» Sie mag auch, dass die Arbeit in der Nacht nie eintönig ist: «Keine Nacht ist wie die andere, und das gefällt mir. Ich mag keine Routine», sagt die 60-Jährige, die regelmässig zwei bis drei Nächte pro Woche arbeitet. Für die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr morgens erhält sie einen Zeitausgleich von
20 %.
Die Arbeit in der Nacht erfordert eine gute Selbstorganisation. «Vor meiner ersten Nachtschicht sorge ich dafür, dass ich gut schlafe. Und ich gehe ins Fitnessstudio, um Energie zu bündeln und einen klaren Kopf zu bekommen. Ich esse auch eine grosszügige Portion, um in der Nacht nicht zu naschen», sagt Carole Muhmenthaler. Die Tatsache, dass sie keine familiären Verpflichtungen mehr hat, erleichtert es ihr, sich tagsüber zu erholen. «Heute kann ich die Nächte besser ertragen als in jungen Jahren», lächelt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Die Nachtarbeit bringt auch Herausforderungen mit sich, vor allem in Bezug auf das Sozialleben: «Unregelmässige Arbeitszeiten können die Beziehungspflege erschweren. Aber ich habe gelernt, meine Freizeit auf meinen Beruf abzustimmen», sagt sie abschliessend.
Ein Team für geplante und unvorhergesehene Einsätze zu Hause – rund um die Uhr
Das Team IMUD (Infirmier/ère Mobile Urgences Domicile) gibt es seit 2016. Es wurde im Rahmen eines interkantonalen Zusammenarbeitsprojekts zwischen den Spitex-Diensten der Waadtländer (ABSMAD) und Freiburger (SASDB) Broye, dem Interkantonalen Spital der Broye (HIB) und der Vereinigung der spitalexternen Ärzte der Broye (AMeHB) gegründet. Seine ursprüngliche Aufgabe bestand darin, nachts eine Übergangspflege zwischen dem Krankenhaus und der häuslichen Umgebung sicherzustellen. Seit 2018 nimmt «l’IMUD» am kantonalen Waadtländer Projekt zur Optimierung der Reaktion auf Notfälle (RAU) teil. Heute bietet das Team einen 24-Stunden-Dienst an sieben Tagen in der Woche und beschäftigt zehn Pflegefachpersonen (6,1 FTE), die sich in drei Schichten abwechseln – darunter ein Nachtdienst von 22 Uhr bis 7.30 Uhr. Darüber hinaus arbeitet das Team eng mit dem Réseau Santé Social de la Broye Fribourgeoise (RSSBF) sowie dem Interkantonalen Spital Payerne (HIB) zusammen.
Cms Vaud