«Ich lebe ein neues Leben und versuche, das Beste daraus zu machen» 

Nationalrat Philipp Kutter ist seit einem Unfall beim Skifahren querschnittgelähmt. Im Interview geht der 50-Jährige aus Wädenswil ZH auf die Spitex und pflegende Angehörige ein, auf eine kaum bekannte Macke – und darauf, dass sein Unfall sein politisches Engagement nicht bremsen konnte.

INTERVIEW: KATHRIN MORF

Philipp Kutter, Die-Mitte-Nationalrat. Bild: zvg

SPITEX MAGAZIN: Herr Kutter, vor gut zwei Jahren verunfallten Sie beim Skifahren schwer und sind seither Tetraplegiker. Gebremst scheint Sie das nicht zu haben, im Gegenteil: Sie sind nicht nur PR-Berater, sondern wurden kürzlich sogar als Bundesratskandidat gehandelt und sind politisch sehr aktiv, etwa für die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung. Woher nehmen Sie die Kraft hierfür?
PHILIPP KUTTER: Nun ja, so genau weiss ich das auch nicht. Als Fussgänger, der im Grossen und Ganzen gesund war, konnte ich mir nicht vorstellen, wie es ist, so stark eingeschränkt zu sein. Bis zu meinem Unfall empfand ich schon einen starken Muskelkater als unzumutbar. Nun lebe ich ein neues Leben und versuche das Beste daraus zu machen. Für mich war rasch klar, dass ich nicht einfach zu Hause sitzen wollte. Das würde mir nicht gut bekommen, vermutlich wäre ich innerhalb von kurzer Zeit ein unzufriedener Zeitgenosse, der nur nörgelt. Das will ich meinem Umfeld, insbesondere meiner Frau und meinen Kindern, nicht zumuten. Sie sollen weiterhin Freude haben an mir, zu mir aufschauen können, etwas mit mir erleben können.

Sie waren früher Journalist und arbeiten heute als Nationalrat, Stadtpräsident von Wädenswil und PR-Berater. Gab oder gibt es trotz dieser Vielfalt noch einen Beruf, von dem Sie einst träumten oder immer noch träumen?
Vorstellungen eines Traumberufs, so aus der Sparte Lokomotivführer oder Astronaut, hatte ich nie. Mein erster Traumberuf war es, Journalist zu werden und irgendwann in einer wichtigen Zeitung wichtige Artikel zu schreiben. Ich habe dieses Ziel auch aktiv verfolgt. Allerdings kam mir die Politik dazwischen. Ich musste im Alter von etwas mehr als 30 Jahren entscheiden, ob ich über Politik schreiben oder selbst politisch aktiv sein wollte. Ich habe mich für die Politik entschieden und meinen einstigen Traumberuf an den Nagel gehängt.

Ich ertrage es nicht gut, wenn neben mir jemand Pommes Chips knabbert.

Philipp Kutter

Nationalrat

Als Nationalrat und Stadtpräsident interessieren sich die Medien auch für Ihr Privatleben. Ver­raten Sie uns eine Macke, die in der Öffentlichkeit bisher dennoch kein Thema war?
Macken habe ich viele, zum Beispiel ertrage ich es nicht gut, wenn neben mir jemand Pommes Chips knabbert. Wenn ich mitessen darf, dann geht es aber.

Auch ein Prominenter kann ein Fan sein: Welche bekannte Persönlichkeit würden Sie gern treffen?
Ein glühender «Fanboy» von jemandem bin ich nicht. Aber ich würde mich gerne einmal mit Roger Federer unterhalten.

Im «Tages Anzeiger» berichteten Sie kürzlich, dass die Spitex Ihnen im Alltag und in den Ferien hilft. Was sind Ihre Gedanken zur Pflege zu Hause?
Ohne meine Frau Anja und die Unterstützung der Spitex könnte ich nicht zu Hause leben und auch nicht meinen Verpflichtungen im Bundeshaus nachkommen. Deshalb finde ich es erstens wichtig, dass die Pflege von Angehörigen angemessen entschädigt wird. Zweitens müssen wir den Angeboten der Spitex Sorge tragen, wobei ich die Vielfalt der Anbieter begrüsse. Ich selbst habe mit der Spitex Amisana eine engagierte und kompetente Partnerin gefunden, die bereits etwas Erfahrung in der Pflege von querschnittsgelähmten Patienten hatte.

Über Philipp Kutter
Philipp Mario Kutter wurde am 31. August 1975 geboren und studierte Geschichte, Medienwissenschaften und Politologie in Zürich. Danach arbeitete er als Journalist, etwa als Chefredaktor des «Thalwiler Anzeigers». Als Anfang seiner politischen Tätigkeit bezeichnet der 50-Jährige sein Engagement als Präsident der Jugendkommission von Wädenswil. 2006 wurde er in den Stadtrat seines Wohnorts gewählt, 2007 zum Kantonsrat und 2010 zum Stadtpräsidenten von Wädenswil – ein Amt, das er noch bis 2026 bekleiden wird. 2018 wurde der Mitte-Politiker schliesslich als Nationalrat vereidigt und 2023 in diesem Amt bestätigt.

Im Februar 2023 verunfallte Philipp Kutter beim Skifahren, seither ist er vom Hals abwärts gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Heute setzt er sich als Politiker noch stärker als früher für Inklusion und die Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft ein. Er lebt mit seiner Frau Anja und den Töchtern Lisa und Julia in Wädenswil und führt mit seiner Frau die Kutter Kommunikation GmbH, eine 2009 gegründete Agentur für Kommunikation und Marketing.

→ www.philippkutter.ch

Weitere Artikel

«Qualifizierte Spitex-Pflege schwer kranker Kinder zu finanzieren, ist effizient»

Seit dem 1. Oktober 2024 gilt für die Kinderspitex ein neuer IV-Tarif zur Verrechnung der Pflegeleistungen. Lucia Vogt und Regula B...

Im Winter kommen auch mal Ski oder Schlitten zum Einsatz

Die Spitex-Organisation Lauterbrunnental (BE) pflegt Menschen in den sechs Ortschaften der Gemeinde. Um ihre teilweise abgelegenen W...

Ist die Spitex bald künstlich intelligent?

Einleitend gehen drei Fachpersonen auf drei zentrale Fragen rund um künstliche Intelligenz (KI) in der Pflege zu Hause ein: Welche V...