Im Winter kommen auch mal Ski oder Schlitten zum Einsatz

Die Spitex-Organisation Lauterbrunnental (BE) pflegt Menschen in den sechs Ortschaften der Gemeinde. Um ihre teilweise abgelegenen Wohnadressen zu erreichen, sind die Pflegefachkräfte auch auf die Seilbahn angewiesen. Die Spitex-Betriebsleiterin Susanne von Allmen nimmt uns mit auf ihren nicht ganz alltäglichen Pflegeeinsatz. 

Um ihre Klientinnen und Klienten in den Bergdörfern zu erreichen, greift Susanne von Allmen auch mal zum Schlitten. Bilder: Yanik Gasser, rubmedia

SANDRA GURTNER. Wegen der Naturspektakel und des Wintersportangebots pilgern täglich Hunderte Menschen in die Region Lauterbrunnen. Mittendrin machen sich die Mitarbeitenden der Spitex auf den Weg zu ihren ­Klientinnen und Klienten. Zwei davon wohnen in Gimmelwald, einem kleinen Dorf unterhalb von Mürren, das nur via Seilbahn erreichbar ist. Zusammen mit Besucherinnen und Besuchern aus der ganzen Welt fährt Susanne von Allmen an der steilen Felswand hinauf zu ihrem Einsatzort: «Es gibt schon Angenehmeres als mit vielen Menschen in einer Kabine eingepfercht zu sein, aber für mich ist das unterdessen Routine.» Oben angekommen, geht’s per Fussmarsch an verschneiten Feldern und Bauernhäusern vorbei zum Haus ihres Kunden. Dreimal in der Woche nimmt sie bei ihm einen Verbandswechsel vor.

Wind, Wetter und flexible Planung
Ist man von der Seilbahn als Transportmittel abhängig, kommt es vor, dass einem das Wetter oder andere Umstände einen Strich durch die Planung machen: «Bei starkem Wind oder während der Revision fährt die Gondel manchmal nicht. Dann muss ich entweder spontan umplanen oder einen längeren Anfahrtsweg auf mich nehmen», erzählt Susanne von Allmen. «Schwierig ist es auch, wenn wir erst an der Station erfahren, dass die Seilbahn nicht fährt oder wir oben im Dorf feststecken. Dann kommt es vor, dass wir länger arbeiten oder auch mal einen Einsatz absagen müssen.» Zu einem schlimmen Zwischenfall ist es laut der Pflegefachfrau auf der Seilbahn-Pendelstrecke bisher aber nicht gekommen. Abgesehen von den oft engen Platzverhältnissen und den verschiedenen Gerüchen in der Gondel, sei sie ein angenehmes Transportmittel. Eine der aussergewöhnlichsten Situationen sei es für sie, wenn sie ausnahmsweise ganz allein mit den Gondelführenden unterwegs ist. Das käme aber nur sehr selten vor, zum Beispiel bei schlechtem Wetter oder auf der Talfahrt.

Bei starkem Wind fährt die Gondel manchmal nicht. Dann muss ich meine Einsätze umplanen oder einen längeren Arbeitsweg auf mich nehmen.

SUSANNE VON ALLMEN

Betriebsleiterin Spitex Lauterbrunnental

Gebirge macht erfinderisch
Auch oben in den Dörfern sind die Mitarbeitenden der Spitex gemäss Susanne von Allmen den Naturgewalten ausgesetzt: «Gerade im Winter kann es auf Zugängen zu den Häusern schneebedeckt und eisig sein.» Ihr Team setzt deswegen auf gutes Schuhwerk und probiert immer mal wieder Hilfsmittel aus: «In Wengen haben wir einmal Spikes an unsere E-Bikes montiert, damit wir weniger rutschen. Leider ohne grossen Erfolg.» Doch es gab auch Einsätze, bei denen sich die Experimentierfreude ausbezahlt hat: «Um nach Gimmelen, oberhalb von Mürren, zu kommen, haben wir im Winter auch schon mal die Ski angeschnallt oder den Schlitten genommen. Das wollen wir dieses Jahr auch in Gimmelwald ausprobieren: Zuerst fahren wir mit der neuen Expressgondel, der steilsten Pendelbahn der Welt, in vier Minuten von Stechelberg nach Mürren und danach mit dem Schlitten runter ins Dorf.» Laut Susanne von Allmen schränkt der Winter besonders Klientinnen und Klienten, die abgelegen wohnen, in ihrer Bewegungsfreiheit ein: «Wenn die Wege verschneit und rutschig sind können diese Menschen zum Beispiel einen Arzttermin nur mit fremder Unterstützung wahrnehmen. Nur fragen Bergler und Berglerinnen ungern nach Hilfe. Deshalb übernehmen wir hier manchmal die Vermittlungsarbeit, versorgen sie mit Lebensmitteln oder führen vor Ort Blutentnahmen im Auftrag der Ärztinnen und Ärzte durch.»

Aufgrund der langen Arbeitswege macht die Spitex-Organisation Lauterbrunnental maximal zwei Gondel-Einsätze pro Tag.

Routine gegen Höhenangst
Der Arbeitsweg in einem Tourismus-Hotspot beschert Susanne von Allmen auch lustige Momente: «Es kommt vor, dass ich in der Gondel angesprochen werde, weil die Leute das Spitex-Logo auf meinem Shirt erkennen. Sie fragen mich dann für Tipps oder wundern sich, dass wir auch in den Bergdörfern Einsätze machen.» Ursprünglich im Kanton Zürich zu Hause, kam Susanne von Allmen vor über 25 Jahren in die Region Lauterbrunnen und ist seither für die Spitex im Einsatz. Trotz der Routine und den langen Arbeitswegen hat sie immer noch den Blick für die Schönheit der Region und freut sich auch heute noch über die spektakulären Ausblicke während der Seilbahnfahrt. Am Anfang ihrer Karriere sah das noch ein bisschen anders aus: «Dank der Routine fahre ich heute gerne Gondel. Früher hatte ich Mühe mit der Höhe. Jetzt stelle ich mich, wenn es möglich ist, ans Fenster und sage mir, dass die Gondelführenden ja auch heil ankommen wollen.»

Diese Reportage ist erstmals in der Herbstausgabe 4/24 des Magazins «mittendrin» der SPITEX Organisationen Bern, ReBeNo, Lueg, AemmePlus und AareGürbetal erschienen.

Weitere Artikel

«Die Generation Z ist stark auf die Work-Life-Balance bedacht»

Die «Generation Z» sei faul, lautet eines von vielen Vorurteilen über die jungen Arbeitnehmenden von heute. Die HF-Studierende Angel...

15. Fachtagung Ambulante Psychiatrische Pflege vom 28. März 2025

RED. In der Ambulanten Psychiatrischen Pflege sind Inklusion und Exklusion zentrale Themen. Sie bestimmen, ob Menschen am Alltag tei...

Anlaufstelle und Sprachrohr für die LGBTI-Community

In ihrer neuen Rolle als LGBTI-Verantwortliche bei Spitex Zürich sieht sich HR-Coach Sandrine Senn als «Verbündete der Community». Z...