
Die Kooperation mit Apotheken erhöht die Sicherheit und spart Zeit
Die Spitex setzt zunehmend auf Partnerschaften mit Apotheken: So zieht die Spitex des Kantons Jura in die Räumlichkeiten zweier Apotheken. Und die Spitex Knonaueramt (ZH) lagert das herausfordernde Medikamentenmanagement schrittweise an eine Apotheke aus.
FLORA GUERY, KATHRIN MORF. Die Spitex des Kantons Jura, FAS 1, ist im Bezirk Delsberg mit zwei Apotheken in eine «Wohngemeinschaft» gezogen: Genauer zügelte die Spitex Courrendlin-Val Terbi im März 2024 in den Komplex «Apothekeplus» in Courroux und die Spitex Haut de la Vallée im August 2023 in den Komplex «Apothekeplus Voirol» in Bassecourt. Die neue Nähe habe viele Vorteile für die interprofessionelle Zusammenarbeit, sagt Vanyna Kaag, FAS-Verantwortliche für das Delsberger Tal.
Die Spitex-Mitarbeitenden belegen in den Gebäuden jeweils zwei eigene Räume und dürfen die Behandlungs- und Besprechungsräume der Apotheke mitnutzen. So entsteht Nähe, welche die Zusammenarbeit und den informellen Austausch fördert. «Wir sprechen mit den Mitarbeitenden der Apotheken fast täglich über Behandlungen und können Ratschläge zu Wechselwirkungen von Medikamenten einholen», berichtet Vanyna Kaag. «Dadurch lernen sich beide Seiten gut kennen, was das gegenseitige Wohlwollen und Vertrauen fördert.» Weiter sparen die Spitex-Mitarbeitenden Zeit, weil sie die Medikamente schnell bei der Apotheke abholen können – und die Apotheken sparen die Kosten für Auslieferung. «Die Partnerschaft dürfte zudem zu weiteren Projekten führen, etwa zu gemeinsamen Schulungen», ergänzt Vanyna Kaag.

Knonaueramt: Die Apotheke liefert für die Spitex aus
Entwicklungen wie die Alterung der Gesellschaft und die Ambulantisierung führen laut Pharmazeutin Prof. Dr. Carla Meyer-Massetti 2 dazu, dass das Medikationsmanagement der Spitex immer komplexer wird. Äusserst wichtig ist dieses Management für die Sicherheit der Klientinnen und Klienten: In der Schweiz sind 50 Prozent aller Behandlungsfehler auf medikationsbezogene Probleme zurückzuführen, und viele Klientinnen und Klienten weisen alle Risikofaktoren für solche Fehler auf: Multimorbidität, eine Behandlung über Schnittstellen hinweg, Hochaltrigkeit – und Polymedikation 3.
«Apotheken können der Spitex beim Bewerkstelligen des Medikationsmanagements helfen», sagt Sonja Santi, Fachführung Dienstleistungen bei der Spitex Knonaueramt ZH. Bis Ende 2023 holten die Mitarbeitenden der Spitex Knonaueramt oft Medikamente in Hausarztpraxen ab, um ihre Klientinnen und Klienten zu entlasten. Weil die Medikamente im Kanton Zürich nicht im Spitex-Stützpunkt gelagert werden dürfen, brachten die Mitarbeitenden diese jeweils direkt zu den Klientinnen und Klienten. «Diese Aufgabe kostete aber zunehmend wertvolle personelle Ressourcen und war unwirtschaftlich, weswegen die Spitex sie Anfang 2024 an die Medbase Apotheke in Affoltern am Albis auslagerte», berichtet Sonja Santi. Die Hausärztinnen und Hausärzte müssen die Lieferung nun selbst organisieren oder auf die Selbstdispensation verzichten.
Die Apotheke beliefert bereits rund 35 Prozent der Klientinnen und Klienten, Tendenz steigend. «Sie schätzen die direkte Belieferung durch uns sehr», sagt Nele Gölzer, geschäftsführende Apothekerin der Medbase Apotheke Affoltern am Albis. «Die Mitarbeitenden der Spitex werden dadurch entlastet – und unsere Apotheke kann ihre Kompetenz bezüglich Medikamentenversorgung einbringen und die Klientinnen und Klienten umfassend beraten.» Sonja Santi bestätigt, dass die Auslieferung zuverlässig funktioniert, nur zu Beginn seien einige «Nebenwirkungen» aufgetreten. So musste die Spitex dafür sorgen, dass der Lieferdienst einen Code für einen Schlüsseltresor erhält für den Fall, dass eine Klientin oder ein Klient nicht zu Hause ist.

Wir überlegen uns, nach der
Auslieferung auch das
zeitraubende Bewirtschaften der
Medikationspläne unserer
Klientinnen und Klienten künftig der Apotheke zu überlassen.
SONJA SANTI
Pflegeexpertin, Spitex Knonaueramt
Die Kooperation ausweiten
Sonja Santi hat als Mitglied der Akademischen Fachgesellschaft (AFG) Spitex Pflege an einem Leitfaden zum Thema «Medikamentenmanagement bei der Spitex» mitgewirkt4. Darin wird beispielsweise erläutert, wie das Richten von Medikamenten im Privathaushalt sicher gestaltet wird – oder auch, welche weiteren Aufgaben die Spitex an Apotheken auslagern kann. «Zur Entlastung der Spitex können wir auch das Verblistern von Medikamenten übernehmen», sagt Nele Gölzer hierzu. «Auch können wir uns um einen Überblick über die Gesamtmedikation kümmern, was eine umfassende Beratung unter Berücksichtigung von Interaktionen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen ermöglicht. Und wir können die Spitex-Mitarbeitenden in unterschiedlichsten Themen schulen.»
Auch die Spitex Knonaueramt will weitere Aufgaben auslagern. «Wir überlegen uns, das zeitraubende Bewirtschaften der eMedikationspläne unserer Klientinnen und Klienten künftig der Apotheke zu überlassen», erklärt Sonja Santi. Auch könnte die Apotheke das Bestellwesen aller Medikamente übernehmen, das aktuell über die Spitex läuft. «Wir überlegen uns zudem, im Rahmen eines Pilotprojekts das Verblistern der Medikamente durch die Apotheke für stabile Pflegesituationen zu erproben.»
Laut Carla Meyer-Massetti steht einer solchen Verblisterung allerdings oft das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) im Weg: Denn es sieht die Kostenübernahme durch die Krankenkassen für das Verblistern durch die Apotheke nicht vor, wenn die Spitex ebenfalls Aufgaben im Medikationsmanagement – wie die Unterstützung bei der Einnahme – übernimmt. Der neue Apothekentarif LOA V dürfte diese Finanzierungslücke ab 2025 aber schliessen. «So oder so darf beim Medikamentenmanagement nicht gespart werden», betont Sonja Santi. «Denn ist es gut, erhöht es die Sicherheit aller Klientinnen und Klienten, sorgt für mehr Effizienz im Gesundheitswesen und senkt damit schlussendlich die Gesundheitskosten.»
- FAS steht für «Fondation pour l’aide et les soins à domicile Jura». ↩︎
- Meyer-Massetti, Carla (2024): Medikationsmanagement in Spitex-Organisationen – eine pharmazeutische Perspektive. «Pflegerecht» Heft 2/2024. ↩︎
- Von Polymedikation spricht man je nach Quelle, wenn mindestens 3 bis 5 Medikamente parallel eingenommen werden. Gemäss Helsana-Arzneimittelreport 2020 nimmt der durchschnittliche Spitex-Klient 16 Medikamente ein. ↩︎
- Der Leitfaden wird derzeit fertiggestellt [Stand: 11.07.2024]. Über seine Veröffentlichung wird auf www.spitexmagazin.ch berichtet. ↩︎