Abwechslungsreiche Tagung mit Robotern und Digitalisierung
Am 12. September 2024 nahmen über 400 Personen an der Fachtagung von Spitex Schweiz in Bern teil, die sich der digitalen Transformation der ambulanten Pflege widmete.
FLORA GUÉRY, DENISE BIRCHLER. Der Roboter «Pepper» eröffnete die Fachtagung mit einem Tanz, bevor Dr. Thomas Heiniger, Präsident von Spitex Schweiz, in das Thema des Tages einführte: «Die Spitex in der digitalen Transformation – Chancen und Herausforderungen für die ambulante Pflege». Rund 20 Expertinnen und Experten aus Forschung, Bildung und Praxis erörterten anschliessend in Referaten, einer Podiumsdiskussion und Sessionen die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz (KI) und neuen Technologien auf das Gesundheitswesen.
Als erster Redner betonte Dr. Stephan Sigrist, Gründer und Leiter des Think Tanks W.I.R.E., die Notwendigkeit, die langfristigen Auswirkungen von Technologien zu analysieren und kritisch zu bleiben: «Nicht alles, was möglich ist, ist auch wünschenswert», sagte er. Dr. Jérôme Cosandey, Westschweizer Direktor von Avenir Suisse, unterstrich, dass die Digitalisierung «eine Chance, keine Selbstverständlichkeit» sei: «Man muss den Kulturwandel begleiten, die richtigen Prozesse wählen und die (wirklichen) Bedürfnisse der Mitarbeitenden sowie der Klientinnen und Klienten verstehen», erläuterte er. Und die Soziologin und Altersforscherin Prof. Dr. Sabina Misoch von der Ostschweizer Fachhochschule (OST) betonte, dass neben den wirtschaftlichen auch die sozialen, ethischen und gesellschaftlichen Folgen des Einsatzes von Robotik in der Pflege diskutiert werden müssen.
Podiumsdiskussion: ein fruchtbarer Austausch
Im Rahmen des Podiums der Premiumpartner von Spitex Schweiz berichteten Anita Thielken von der Publicare AG und Rolf Bona von der SmartLife Care AG über ihre Erfahrungen mit der digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Anschliessend fand eine Podiumsdiskussion zu den Chancen und Risiken der digitalen Transformation der Pflege statt, die von Hannes Blatter moderiert wurde. Dr. Anne Scherer, Co-Founder der Delta Labs AG, bezeichnete unter anderem die generative KI als «vielversprechende Technologie», da diese in kleinem Massstab adaptiert werden könne, ohne dass ein grosses Budget erforderlich sei. Dr. Ursula Koch, Vorstandsmitglied des Schweizer Forums für integrierte Versorgung (fmc) sprach einen wichtigen Punkt an: «Die Leistungserbringer müssen die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer auf die Digitalisierung einnehmen – und deren Ängste ernst nehmen.» Thierry Penseyres, Leiter der Abteilung für Entwicklung von Berufspraktiken bei der Waadtländer Spitex AVASAD, brachte derweil das Thema der Interoperabilität von verschiedenen IT-Systemen auf den Tisch. «Wir alle bedauern, dass wir deswegen nicht besser kommunizieren können», sagte er. Positiv sei, dass neue Technologien die Akteure zur Kommunikation zwingen und die Grenzen des Austausches und der Partnerschaften zwischen den verschiedenen Leistungserbringern überwinden helfen würden. Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO), verwies schliesslich darauf, wie wichtig es ist, dass Gesundheitsdaten einfach zugänglich sind – auch für die Betroffenen.
Sessionen A und B: KI, Sensoren und künftige Herausforderungen
Der Nachmittag war geprägt voN abwechslungsreichen Sessionen. In Session A erklärte Prof. Dr. med. Hugo Saner, Gründer von Strong Age, wie KI und Sensoren die Arbeit der Pflege erleichtern können – auch wenn es noch Jahre dauern werde, bis KI im Spitex-Alltag eine zentrale Rolle spiele. Dr. Marianne Frech, Leiterin Pflegeentwicklung der Solothurner Spitäler AG, sprach über die grössten Herausforderungen beim Einsatz von KI, nämlich die fehlende Akzeptanz beim Pflegepersonal sowie bei den Patientinnen und Patienten sowie den fehlenden Mut zur Einführung der neuen Technologie. Und ein Team der Medgate AG zeigte auf, wie die Kombination von Telemedizin, digitalen Lösungen und physischen Partnerschaften den Zugang zu medizinischen Behandlungen verbessern und die Hausärzteschaft entlasten kann.
In Session B betonte Prof. Dr. Dominique Truchot-Cardot, Professorin am Institut et Haute Ecole de la Santé La Source, wie wichtig Innovationen in der Pflege zu Hause sind, um gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. «Aber auch, um die sich kumulierenden Herausforderungen anzugehen – wie die Digitalisierung, den Fachkräftebedarf, Burnouts, den Zugang zur Pflege, die neuen Erwartungen der Patientinnen und Patienten sowie die Kostendämpfung.»
Sessionen C und D: Digitale Lösungen für eine bessere Versorgung
Peter Frick, Geschäftsleiter der Spitex Fricktal AG, berichtete in Session C über seine Erfahrungen mit dem elektronischen Patientendossier (EPD). Dieses biete zwar mehr Effizienz und mehr Sicherheit für die Klientinnen und Klienten, doch gebe es auch zahlreiche Hindernisse, etwa die fehlende technische Infrastruktur bei den Klientinnen und Klienten sowie fehlende Schnittstellen. Michael Stutz, Leiter SHIP (Swiss Health Information Processing) bei der SASIS AG, zeigte auf, wie SHIP administrative Prozesse der Spitex standardisieren und vereinfachen will, damit mehr Zeit für die Pflege bleibt. Und Christoph Weber, Product Manager E-Rezept Schweiz, präsentierte den aktuellen Stand des E-Rezepts und erläuterte, dass die Verschreibung von Medikamenten in der Schweiz bis Ende 2029 hauptsächlich per E-Rezept erfolgen soll.
In Session D ermutigte Prof. Dr. Friederike Thilo von der Berner Fachhochschule (BFH) die Anwesenden, digitale Hilfsmittel zu nutzen, um gute Arbeit zu leisten. Sie betonte aber auch: «Wir müssen die digitalen Werkzeuge sehr gezielt und problemorientiert einsetzen», und «wir dürfen die analoge Welt und den Menschen nicht aus den Augen verlieren.» Und Claudia Siebenhaar, Mitgründerin der Gerisana Care AG, stellte die Smart Pillbox vor – einen intelligenten Medikamentendispenser, mit dem sich Medikationsfehler reduzieren lassen.
Die Fachtagung wurde durch die unterhaltsamen und verrückten Beiträge von Komiker Toni Caradonna aufgelockert. Den Abschluss bildeten die Ausführungen von Marianne Pfister und Cornelis Kooijman, Co-Geschäftsführende von Spitex Schweiz, die sich bei den Besuchenden, dem Organisationsteam, den Sponsoren und Partnern für ihre Anwesenheit und Mitwirkung bedankten. Die nächste Fachtagung von Spitex Schweiz wird am 9. September 2025 stattfinden.
Einen breiteren fotografischen Einblick in die Tagung bietet die Bildstrecke vom 13. September.