
«Vis ma vie»: Eintauchen in die Welt der Klientinnen und Klienten
Der Workshop «Vis ma vie» ist entwickelt worden, um den Mitarbeitenden der Genfer Spitex ein besseres Verständnis für die Herausforderungen zu vermitteln, mit denen ihre Klienten und Klientinnen konfrontiert sind. Der Workshop findet im Herzen des IMAD-Campus statt und bietet eine immersive Erfahrung, die auf der Simulation realer Situationen basiert.
FLORA GUERY. Im Workshop «Vis ma vie» («Lebe mein Leben») haben die Mitarbeitenden der Genfer Spitex IMAD (institution genevoise de maintien à domicile) die Möglichkeit, sich in die Lage von Klientinnen und Klienten zu versetzen. Dies, indem sie typische Situationen der Pflege und Betreuung zu Hause als Betroffene erleben. Auf Wunsch der Mitarbeitenden wurden die Workshops vom Ausbildungsteam des IMAD-Campus in Zusammenarbeit mit dem «Service des technologies et de l’autonomie» (STA) und den Teamleitenden entwickelt. Das Angebot richtet sich an alle Mitarbeitenden der Spitex – von Pflegefachpersonen über Pflegehelfende bis hin zu Verwaltungsangestellten.
«Meine Motivation war es, mit meinem Team einen Moment des Austauschs und der Reflexion anhand von praktischen Situation zu teilen», erklärt Nathaliane Maziarz, Leiterin eines Spitex-Teams von IMAD, ihre Motivation für die zu «Vis ma vie». Yvanna Marinos, Fachfrau Gesundheit (FaGe), freute sich derweil, den IMAD-Campus und seinen Simulationsraum kennenzulernen. «Ich hatte schon viel darüber gehört und für mich war das etwas ganz Neues», sagt sie.

Vielfältige Aktivitäten
Der Workshop «Vis ma vie» umfasst drei Module, die über einen halben Tag verteilt sind. Sie beinhalten verschiedene Aktivitäten, die für die Pflege und Betreuung zu Hause repräsentativ sind:
- Mobilitätsübungen: In der simulierten Wohnung auf dem IMAD-Campus benutzen die Teilnehmenden verschiedene Hilfsmittel wie eine Aufstehhilfe, um sich in der Wohnung zu bewegen, zum Beispiel vom Bett in den Rollstuhl oder vom Rollstuhl auf die Toilette und umgekehrt. Zwischen dem Schlafzimmer und dem Badezimmer werden dabei Hindernisse aufgestellt. Diese Übungen helfen, die körperlichen Herausforderungen zu verstehen, denen die Klientinnen und Klienten ausgesetzt sind.
- Alterssimulation: In diesem Modul werden die Mobilisierungsschwierigkeiten von Klientinnen und Klienten ausserhalb der Wohnung erlebt – etwa in Bezug auf das Spazieren, Treppensteigen und das Benützen eines Lifts. Dabei tragen die Teilnehmenden zum Beispiel Gewichte mit sich und erhalten Informationen zu den verschiedenen Phasen des Alterungsprozesses, um unter anderem die Bedeutung von Kontrasten in der sensorischen und visuellen Wahrnehmung zu verstehen.
- Simulation von Augenerkrankungen: Mit einer Simulationsbrille erleben die Teilnehmenden die Schwierigkeiten, die mit verschiedenen Augenerkrankungen verbunden sind. Dies beispielsweise bei der Befüllung eines Dispensers für Medikamente, der Benutzung eines Computers und Mobiltelefons oder auch beim Zählen und Unterscheiden von Münzen verschiedener Währungen. Jede zugehörige Erkrankung wird den Teilnehmenden genau erklärt.

Teilnehmende berichten
IMAD-Mitarbeitende berichteten von ihren Eindrücken und Erfahrungen nach der Teilnahme an den «Vis ma vie»-Workshops: Caroline Nifaut wollte einen Einblick in den Alltag von Klientinnen und Klienten erhalten – und die Sichtweise der Pflegefachfrau hat sich nach den drei Modulen durchaus etwas verändert. «Man weiss nicht, was es heisst, älter zu werden, bis man es selbst erlebt. Von nun an werde ich noch mehr darauf achten, meinen Klientinnen und Klienten das Leben zu erleichtern, wenn sie sich bewegen», sagt sie. Während der Mobilitätsübungen fühlte sich Yvanna Marinos verunsichert, als sie sich in die Rolle einer Klientin versetzte. «Es war beeindruckend, von anderen abhängig zu sein und zu wissen, dass man sich ohne sie nicht fortbewegen», berichtet die FaGe.

Auch andere Teilnehmende haben während der Simulationsübungen einige Überraschungen erlebt. «Ich war mir nicht bewusst, wie schwer der Körper wird, wenn man altert. In den Alterssimulations-Übungen habe ich 30 Kilo auf dem Rücken getragen, was das Bewegen und Gehen schwierig machte», berichtet Haushelferin Isilda da Piedade. Cassandre Chabouis hatte Schwierigkeiten mit der Katarakt-Simulationsbrille: «Ich konnte zum Beispiel die Übung mit dem Computer nicht beenden», sagt die Pflegefachfrau und fügt hinzu: «Wir kennen alle die Krankheiten der Klienten und Klientinnen, aber sie in einem Experiment selbst zu erleben, ist etwas ganz anderes.»
Seit April 2024 haben bereits über 120 IMAD-Mitarbeitende an den «Vis ma vie»-Workshops teilgenommen. Ab September sind sieben weitere Termine geplant.
Ein Raum für Simulation im Herzen des IMAD-Campus
Der Simulationsraum von IMAD, der am 29. Februar 2024 in Betrieb genommen wurde, umfasst einen Raum, der als Wohnung eingerichtet ist (siehe Bild), sowie einen Mehrzweckraum, der im Kanton Genf einzigartig ist. Der Simulationsraum bietet eine Infrastruktur, welche die physische und die virtuelle Welt der Ausbildung miteinander verbindet. Er ermöglicht die das Experimentieren und Einordnen verschiedenster Situationen im Arbeitsalltag der Pflege und Betreuung zu Hause und fördert so die Entwicklung von Kompetenzen unter realistischen Bedingungen.
Der Simulationsraum befindet sich im Herzen des IMAD-Campus, einem Ausbildungszentrum, das die Fachkompetenz im Bereich der Pflege zu Hause, die interprofessionelle Zusammenarbeit und pädagogische Innovationen fördert. IMAD entwickelt hier Schulungen für Mitarbeitende sowie für weitere Gesundheitsfachpersonen, Klienten und Klientinnen, Angehörige sowie Partner des Spitex-Netzwerks.
