Spitex-Mitarbeiterin ist die neue Schwingerkönigin
Isabel Egli, Teamleiterin bei der Spitex Region Willisau, wurde zur Schwingerkönigin 2024 gekrönt. Im Interview erzählt die 27-Jährige, wie sie Beruf und Sport miteinander in Einklang bringt und welche Gemeinsamkeiten sie zwischen beiden Bereichen sieht.
MARTINA KLEINSORG. «Bei uns arbeiten auch Königinnen», gratulierte die Spitex Region Willisau ihrer Mitarbeiterin Isabel Egli mit einem Inserat im «Willisauer Boten». Die Teamleiterin der somatischen Pflege sicherte sich am 24. August den Titel der Schwingerkönigin 2024 beim Eidgenössischen Frauen- und Mädchenschwingfest in Sion VS.
Die 27-Jährige wuchs in Steinhuserberg LU in einer Schwingerfamilie auf: Ihre Eltern schwangen, ihre vier Brüder und ihre drei Jahre ältere Schwester sind nach wie vor aktiv. Ihre Tante Brigitte Burri-Kunz wurde von 2006 bis 2011 sogar fünffache Königin. «Ich hätte schon einen anderen Sport wählen können», erzählt Isabel Egli im Interview, «aber da es bei uns alle in der Familie machen, fand ich Schwingen am coolsten.»
Ihr gefalle der traditionelle Rahmen des Schwingens, aber: «Es ist der Zweikampf, der mich am meisten fasziniert.» Anders als bei einem Teamsport habe sie als Schwingerin Erfolg und Niederlage ganz allein in der Hand. «Man trainiert zwar gemeinsam, aber am Ende zählt nur deine eigene Leistung», sagt sie. Ihr erstes Schwingfest bestritt Isabel Egli 2005, zweimal gewann sie die Jahreswertung bei den Mädchen, vor sieben Jahren holte sie als Aktive ihren ersten Kranz. «Da liegt noch mehr drin», wurde ihr damals klar – und sie setzte sich das Ziel, Königin zu werden.
Am liebsten Arztserien geschaut
Bei der Berufswahl orientierte sie sich nicht an der Familie: «Bei uns gibt es vor allem Landwirte und Handwerker.» Sie wollte mit Menschen arbeiten und ihnen helfen. «Wenn ich einmal ferngesehen habe, waren es Arzt- und Krankenhausserien», erinnert sich Isabel Egli. Zudem spürte sie, dass ihr der Umgang mit älteren Menschen lag. Auch im Detailhandel und in einer Bäckerei hat sie geschnuppert, aber schnell gemerkt, dass die Pflege sie erfüllt. Ihre Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit (FaGe) EFZ absolvierte sie in einem Altersheim und arbeitete für ein halbes Jahr im Spital, bevor sie ein Studium zur diplomierten Pflegefachfrau HF bei der Spitex Region Willisau begann. Dort ist sie mittlerweile seit sechs Jahren tätig.
Die Arbeit bei der Spitex empfindet Isabel Egli als spannend und abwechslungsreich: Alte und junge Menschen, vereinzelt auch Kinder, zähle sie zu ihren Klientinnen und Klienten, entsprechend vielfältig seien die Krankheitsbilder und die damit verbundenen Aufgaben. «Im Alltag bei den Menschen zu Hause auf die jeweilige Situation oft spontan reagieren zu müssen, ist eine besondere Herausforderung», sagt sie. Ihr besonderes Interesse gelte der Palliative Care, einem Bereich, den die Spitex Region Willisau gerade intensiv aufbaut.
Auf die Gemeinsamkeiten zwischen dem Schwingen und ihrer Arbeit angesprochen, sieht sie einige Parallelen: «Bei beiden ist Ausdauer entscheidend und ohne positives Denken geht es nicht.» Ob es nun eine Niederlage im Wettkampf ist oder ob eine Klientin oder ein Klient den Lebensmut verliert – wichtig sei es, die Dinge zu schätzen, die man hat. Von der körperlichen Stärke, die sie im Schwingtraining erworben hat, profitiere sie im Berufsalltag, etwa beim Mobilisieren: «Die Pflege hat bei mir noch nie Rückenschmerzen verursacht», sagt sie.
Es ist der Zweikampf, der mich am meisten fasziniert.
ISABEL EGLI
Schwingerkönigin
Regelmässig mit Männern trainiert
Vier- bis fünfmal die Woche trainiert sie – regelmässig mit ihren Kolleginnen vom Frauenschwingklub Steinhuserberg, oft steigt sie auch mit den Männern vom Schwingclub Wolhusen in den Sägemehlring. Die Kondition und Kraft, die es an einem Schwingfest braucht, um die Gegnerinnen aus dem Gleichgewicht zu bringen, könne man nicht allein im Fitnessraum an Geräten erzielen. Die verschiedenen Wurftechniken übt die Spitzensportlerin daher bevorzugt mit männlichen Trainingspartnern, die schwerer sind als sie selbst.
Da ihr Partner Adrian Schmutz selbst Kranzschwinger ist, teilt dieser ihre Leidenschaft für den Sport. Und mit ihrer 100-Prozent-Stelle liessen sich ihre sportlichen Ambitionen ebenfalls gut vereinbaren, bestätigt Isabel Egli: «Die Spitex Region Willisau unterstützt mich sehr und zeigt sich flexibel.» So sei das Frauentraining am Montagabend fest eingeplant, darum werde sie an diesem Tag nie zum Spätdienst eingeteilt. Andere Trainingseinheiten seien zeitlich weniger fix. Es gebe zwar auch Wochen, in denen sie den Sport für den Beruf zurückstellen müsse, doch dann verschiebe sie den Fokus und gönne ihrem Körper mehr Erholung. Für die elf Schwingfeste in diesem Jahr habe sie jeweils einen freien Samstag bekommen, dafür sei sie am Sonntag eingesprungen, wenn es erforderlich war. «Es ist ein Geben und Nehmen», sagt Isabel Egli, die auf das Verständnis ihrer Vorgesetzten und Mitarbeitenden zählen kann.
Auch Rückschläge bewältigt
Auf dem Weg zum Titelgewinn hat Isabel Egli auch Rückschläge bewältigen müssen, darunter einen schweren Skiunfall 2015. Die Saison 2019 endete für sie vorzeitig wegen einer Unterarmfraktur, 2022 brach sie sich eine Rippe am Schwingfest. «Nur der letzte Unfall passierte beim Schwingen, ansonsten habe ich den Sport über 20 Jahre ohne grosse Blessuren ausgeübt», blickt sie dankbar zurück. Schon im letzten Jahr war der goldene Kranz in greifbarer Nähe, doch aufgrund eines geänderten Wertungsmodus wurde die Schwingerkönigin 2023 für einmal nicht durch Addition aller Resultate der Saison, sondern im Schlussgang des Eidgenössischen Frauen- und Mädchenschwingfests ermittelt, wo Isabel Egli ihrer stärksten Konkurrentin unterlag. Auch 2024 führte sie die Jahreswertung an, sodass ihr im letzten Kampf der Saison ein Unentschieden reichte.
Den Königinnentitel möchte sie sich auch im nächsten Jahr holen. «Doch dann bin ich nicht der Fuchs, der jagt, sondern das Reh, das gejagt wird. Alle wollen gegen mich gewinnen – das bedeutet schon einiges an Druck», sagt sie. Zunächst geniesst sie allerdings ihren aktuellen Sieg: In Menzberg (LU), wo sie seit drei Jahren lebt, wurde sie mit einem grossen Empfang gefeiert – passend zum Aufkleber am Ortsschild, der das Dorf zum «Königreich» erhob.
Ihr Erfolg hat auch bei den Klientinnen und Klienten der Spitex Region Willisau Stolz und Freude ausgelöst. Viele lassen Isabel Egli über ihre Mitarbeitenden herzliche Glückwünsche ausrichten, einige hoffen auch auf einen persönlichen Besuch: «Die Königin darf gerne einmal vorbeikommen», lautet der vielfach geäusserte Wunsch.