Projekte von heute für die Versorgung von morgen

Verschiedene Projekte und Angebote zeigen, dass man mancherorts bereits unterwegs ist zur Vision «Care@Home 2040» und damit zu einer integrierten, digital unterstützten Gesundheitsversorgung zu Hause. Wir stellen ein Gesundheitsnetz im Berner Emmental vor, die Spitex-Ausbildung in Zürich, ein Projekt von Spital und Spitex im Kanton Graubünden – und zwei Forschungsprojekte, die sich der ambulanten Gesundheitsversorgung von morgen widmen.

TEXTE: KATHRIN MORF, FLORA GUÉRY UND EVA ZWAHLEN

1) Gesundheitsnetz Emmental
2) Ausbildung Spitex Zürich
3) Hospital@Home Graubünden
4) Forschung der BFH und der HES-SO Valais-Wallis


Im Emmental mit seinen 39 Gemeinden und 100 000 Einwohnenden ist ein Gesundheitsnetz entstanden, dem unter anderem alle vier Spitex-Organisationen, das Spital und viele Heime des Tals angeschlossen sind. Grafik: Stutz Medien

Im Emmental (BE) entsteht ein Gesundheitsnetz, dem die Spitex-Organisationen, das Spital und viele Institutionen der Langzeitpflege angehören. Dass dies ein zukunftsweisendes Modell ist – darüber sind sich Mitwirkende und Forschende einig.

Die personenorientierte, ganz­heitliche Koordination entlang der gesamten Behandlungskette bringt Vorteile für alle Beteiligten.

Claudia Sommer

Geschäftsleiterin Spitex Burgdorf-Oberburg

Im Emmental wird derzeit ein Netz gewoben, das laut der Berner Fachhochschule (BFH) ein innovatives Modell für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen ist, das Herausforderungen wie Fachkräftemangel und Kostendruck bewältigen hilft: das Gesundheitsnetz Emmental (GNE). Die Basis dafür bildet die Gesundheitsstrategie 2030 des Kantons Bern, die unter anderem sektorenübergreifende Netzwerke vorsieht, wie sie sich zum Beispiel im Kanton Graubünden bewährt haben. Anlässlich der Vereinsversammlung des Trägervereins «gesund i. E.» («gesund im Emmental») vom 27. November 2024 wurde das GNE gegründet, um die Angebote im Emmental künftig noch besser auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abzustimmen und Synergien zu nutzen. 

Die Absichtserklärung für die Gründung unterzeichneten 16 Akteure: das Spital Emmental, die vier Spitex-Organisationen 1 sowie ein Grossteil der Alters- und Pflegeheime der Region. «Dass all diese Organisationen mitmachen und auch noch einen finanziellen Beitrag an den Aufbau des Gesundheitsnetzes leisten, freut mich sehr», sagt Claudia Sommer, Geschäftsleiterin der Spitex Burgdorf-Oberburg. Sie ist auch Vorstandsmitglied von gesund i.E. und Mitglied des Lenkungsausschusses des GNE – weil sie überzeugt ist «von der Wichtigkeit einer vertikalen integrierten und koordinierten Gesundheitsversorgung für die Emmentaler Bevölkerung», wie sie erklärt.

Nach drei Jahren für alle offen
Auch die Hausärzteschaft ist im Vereinsvorstand sowie im Lenkungsausschuss des GNE vertreten. «Auf die Apotheken und weitere Leistungserbringer werden wir ebenfalls noch zugehen», sagt Claudia Sommer. Derzeit befindet sich das GNE in einer dreijährigen Aufbauphase, danach steht es allen Emmentaler Gesundheitsdienstleistern offen, also zum Beispiel auch Therapeutinnen und Therapeuten. Aktuell beschäftigen sich der Lenkungsausschuss mit seiner Vorsitzenden Regula Feldmann, CEO des Spitals Emmental, und Projektleiterin Nicola Aebi mit dem Aufbau einer überbetrieblichen sozialmedizinischen Koordinationsstelle. «Diese sorgt innerhalb des Netzes für aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre Prozesse und Leistungen», erklärt Claudia Sommer. Der Fokus liege dabei zunächst auf geriatrischen Patientinnen und Patienten mit komplexen chronischen Krankheitsbildern. 

Mitfinanziert wird der Aufbau auch vom Kanton Bern. «Die 16 Organisationen haben einen dreijährigen Leistungsvertrag mit der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern erreicht», freut sich Claudia Sommer. «Danach muss sich das GNE selbst finanzieren. Um dies zu gewährleisten, prüfen wir verschiedene Möglichkeiten und haben mehrere Projektanträge und Gesuche gestellt.» 

Hochschule und EPD-Anbieterin sind mit dabei
Partner des Projekts sind auch die BFH, die sich um die wissenschaftliche Begleitung kümmert, sowie die Post Sanela Health AG. Letztere steuert dem Netz ihr elektronisches Patientendossier (EPD) bei, damit Informa­tionen zeitnah ausgetauscht werden können. «Wir haben mehrere Anlässe zur Information der Bevölkerung durchgeführt, um das EPD im Emmental zu fördern», berichtet Claudia Sommer. Auch an der weiteren Digitalisierung des GNE werde gearbeitet. «Aktuell erheben wir, welche digitalen Tools alle Leistungserbringer im Einsatz haben oder anschaffen möchten, um einen Überblick über die meistgenutzten Systeme zu erhalten.» 

Eine gemeinsame Vision
Claudia Sommer ist überzeugt, dass die «personenorientierte, ganzheitliche Koordination entlang der gesamten Behandlungskette» Vorteile für alle Beteiligten bringt. Schliesslich würden dadurch die unterschiedlichsten Leistungen gut aufeinander abgestimmt, was Doppelspurigkeiten vermeidet und die Versorgung qualitativ hochwertiger, sicherer, wirtschaftlicher und für die Gesundheitsfachpersonen attraktiver macht.

Viele Inhalte des GNE würden aktuell noch geschärft, sagt Claudia Sommer zum Schluss. Dennoch sei sie zuversichtlich, was den Erfolg des Projekts betrifft – weil den Emmentalerinnen und Emmentalern eine optimale Gesundheitsversorgung wichtig sei und weil sie ihre Ziele mit Hartnäckigkeit verfolgten. «Und weil wir Leistungserbringer heute schon auf Augenhöhe kommunizieren und eine Vision haben, die wir umsetzen möchten – gemeinsam, integriert und zukunftsweisend. Das ist aus meiner Sicht ein sehr guter Anfang.»


Spitex Zürich rüstet sich und ihre Lernenden, Studierenden und Mitarbeitenden für Care@Home 2040. Unter anderem im Einsatz: eine spezifische Ausbildung für Fallführende und ein interprofessionelles Weiterbildungsangebot.

Mit KI-gestützten Lernplattformen fördern
wir künftig das Fachwissen und die digitale Handlungskompetenz unserer Mit­arbeitenden.

Larissa Gehrig

Chief Nursing Officer Spitex Zürich

«Bis 2040 dauert es noch sehr lange – da werden wir wohl Technologien haben, die wir jetzt noch gar nicht kennen.» Sie wagt den Blick in die Zukunft dennoch: Larissa Gehrig, Chief Nursing Officer (CNO) und Mitglied der Geschäftsleitung bei Spitex Zürich, schildert im Beitrag, wie die Spitex-Organisation ihr Aus- und Weiterbildungsangebot mit Blick auf care@home 2040 schon heute gestaltet.

Gemeinsam lernen
Aktuell bildet Spitex Zürich 64 Lernende als Fachperson Gesundheit (FaGe), seit August 2025 zwei Lernende als Fachperson Betreuung (Fachrichtung Menschen im Alter) 2 sowie 34 angehende Pflegefachpersonen (HF und Bachelor) aus. Die Verantwortung für die Pflegeprofis der Zukunft ist gross. Entsprechend wichtig ist es für die Spitex-Organisation, die jungen Menschen mit Blick auf ihre künftigen Herausforderungen im Rahmen von care@home 2040 umsichtig und vorausschauend vorzubereiten. Konkret macht Spitex Zürich dies etwa mit der sogenannten Spitex Academy: Das Angebot dieser Weiterbildungsplattform ist praxisnah und interprofessionell. Gearbeitet wird mit Präsenzveranstaltungen in Pflegetechnik, Webinaren, Onlinekursen und E-Learnings. Dazu Larissa Gehrig: «Hier können Pflegende, Betreuungspersonen und andere Berufsgruppen gemeinsam lernen und voneinander profitieren. So werden die Zusammenarbeit sowie eine integrierte und patientenzentrierte Versorgung zu Hause gestärkt.» 

Um die Lernenden und Studierenden dabei zu begleiten, sich in der künftigen integrierten Versorgung optimal zurechtzufinden, legt Spitex Zürich ebenfalls Wert auf eine professionelle Berufsausbildung. «Wir haben vier spezielle Teams mit Berufsbildenden, die Lernende und Studierende individuell betreuen, teilweise zu Einsätzen begleiten, Stärken sowie Entwicklungsbedarf aufzeigen und üben», erläutert Larissa Gehrig das Konzept.

Im Skills Lab können sämtliche Kompetenzen, die Inhalt einer pflegerischen Ausbildung sind, durch die Mitarbeitenden von Spitex Zürich geübt werden. Bild: Spitex Schweiz / Pia Neuenschwander

Interprofessionelle und digitale Skills
Medizinaltechnik und digitalisierte Prozesse werden bis 2040 in der Versorgung zu Hause weiter an Bedeutung gewinnen. Um den Auszubildenden, Studierenden und Mitarbeitenden die entsprechenden Kompetenzen zu vermitteln, steht Spitex Zürich in engem Austausch mit Spitälern und Medizinaltechnik-Firmen und fördert auch hier den interprofessionellen Austausch. Zudem ist ein mehrwöchiges Praktikum in einem Spital oder in einer Pflegeinstitution Ausbildungsbestandteil der FaGe-Lernenden. Überdies erhalten Mitarbeitende, Lernende und Studierende im sogenannten Skills Lab Gelegenheit für niederschwelliges Lernen: «Hier können sie Neues kennenlernen, ihr Wissen vertiefen und das Handling moderner Geräte praxisnah üben. So stellen wir ­sicher, dass Kompetenzen in Medizinaltechnik kontinuierlich aufgebaut und im Alltag angewendet werden können», sagt Larissa Gehrig. Zudem geht sie davon aus, dass Spitex Zürich dereinst zusätzlich dazu digitale Tools und künstliche Intelligenz (KI) einsetzt, die den Mitarbeitenden durch Simulationen, interaktive Lernplattformen oder intelligente Assistenzsysteme individuelles Feedback geben. Diese KI-gestützten Lernplattformen helfen der Spitex-Organisation künftig, die individuellen Lernbedürfnisse der Mitarbeitenden, Studierenden und Lernenden zu erkennen und personalisierte Lernpfade zu gestalten. «Damit werden wir nicht nur Fachwissen, sondern auch die digitale Handlungskompetenz unserer Mitarbeitenden fördern», betont die CNO.

Gestärktes Rollenbild
In der Versorgung zu Hause wird die Spitex künftig eine (noch) zentralere Rolle spielen. Wie gelingt es Spitex Zürich, die Auszubildenden und Studierenden respektive die Mitarbeitenden mit den nötigen Kompetenzen, etwa in der Fallführung, auszustatten? Larissa Gehrig betont, dass die Ausbildung und Begleitung der Fallführenden schon heute das nötige Gewicht erhalten: «Wir haben eine spezifische Schulung, die wir laufend weiterentwickeln. Zudem bilden wir Lernende und Studierende anhand kooperativer Lernmethoden aus, die das Fachwissen vertiefen, Schlüsselkompetenzen stärken und auf kooperative Anforderungen im Beruf vorbereiten.» Ganzheitlich ausgebildete Pflegefachpersonen könnten so ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln – nicht nur hinsichtlich ihrer Fachkompetenz, sondern auch in ihrer Wirksamkeit und Bedeutung als Spitex-Mitarbeitende, führt die CNO weiter aus. 


Das Kantonsspital Graubünden beginnt stationäre Patientinnen und Patienten in deren Zuhause zu behandeln – und spannt dafür eng mit der Spitex Chur zusammen. Auch die Finanzierer sind mit im Boot.

Die Spitex ist eine ideale Partnerin. Denn dort arbeiten Personen mit ausgewiesener Expertise, eine entsprechende Logistik ist bereits vorhanden und es ergeben sich für alle Beteiligten gewinnbringende Synergien.

Gregory Fretz

Leitender Arzt der Poliklinik des KSGR

In letzter Zeit haben mehrere Schweizer Spitäler das Angebot einer spitaläquivalenten Versorgung zu Hause lanciert 3 und dabei die Spitex nur teilweise mit einbezogen – anders als das Kantonsspital Graubünden (KSGR) mit seinem «Hospital@Home»-Pilotprojekt. «Ich finde es sehr sinnvoll, dass die Spitex Chur ihre breiten Kompetenzen und Erfahrungen in der Pflege zu Hause – auch in akutmedizinischen Situationen – von Beginn an in das Angebot einbringen kann», sagt Daniel Jörg, Co-Geschäftsleiter der Spitex Chur. 

«Die Spitex ist eine ideale Partnerin», erklärt derweil Dr. med. Gregory Fretz, Leitender Arzt der Poliklinik des KSGR und ärztlicher Leiter des Projekts. «Denn dort arbeiten Personen mit ausgewiesener Expertise, eine entsprechende Logistik ist bereits vorhanden und es ergeben sich für alle Beteiligten gewinnbringende Synergien.»

Was das Projekt umfasst
Starten wird das zweijährige Pilotprojekt im März 2026. «Wir beginnen klein und sicher: mit maximal fünf Patientinnen und Patienten in paralleler Behandlung zu Beginn und zehn am Ende», sagt Daniel Jörg. Berücksichtigt werden kranke Personen, die eigentlich eine stationäre Behandlung benötigen, sich laut einer Risikoabschätzung aber für eine spitaläquivalente Behandlung zu Hause eignen. Gestartet wird laut Gregory Fretz mit internistischen Patientinnen und Patienten, die maximal 30 Minuten Fahrzeit von Chur entfernt wohnen und Krankheiten haben, die das Behandlungsteam gut kennt – etwa Pneumonie, urogenitale Infekte und dekompensierte Herzinsuffizienz. «Zudem sollten sie nicht allein wohnen, was für zusätzliche Sicherheit sorgt.»

Das interprofessionelle Behandlungsteam ist rund um die Uhr erreichbar. Die Pflege führt täglich zwei bis drei Einsätze bei jeder Patientin und jedem Patienten durch; an etwa fünf Tagen pro Woche begleitet eine Ärztin oder ein Arzt des Spitals eine dieser Visiten. Das Team tauscht sich zudem jeden Tag aus, um den Informationsfluss zu garantieren. «Und das Team spricht stets gut ab, welche Fachpersonen von Spital und Spitex die besten Kompetenzen und Ressourcen für jeden Einsatz mitbringen», ergänzt Daniel Jörg.

Finanzierung des Pilotprojekts gesichert
Ähnliche Projekte kämpfen mit der Finanzierung, da sie sich im Graubereich zwischen ambulant und stationär bewegen. Weil sich der Kanton sowie die Krankenversicherung ÖKK am Bündner Pilotprojekt beteiligen, ist dessen Finanzierung indes gesichert – solange die Patientinnen und Patienten bei der ÖKK versichert sind. Die Spitex stellt ihre Leistungen dem KSGR in Rechnung und dieses kümmert sich um die gesamte Abrechnung. «Unser Wunsch ist, dass es in der Schweiz mittelfristig eine eigenständige Finanzierung für Hospital@Home gibt», sagt Gregory Fretz. «Die Daten aus unserer Pilotphase können dazu beitragen, die Kosten für ein solches Angebot adäquat abzubilden und einen neuen Tarif zu berechnen.»

Und wie sieht es mit Technologien aus, die laut Modellen 4 eine spitaläquivalente Behandlung zu Hause ermöglichen? «Hier sind wir noch mitten in der Evaluation», erklärt Gregory Fretz. Sicher ist, dass die Spitex für den zeitnahen Austausch von Pflegedaten auf das System des Spitals zugreifen kann. 

Die Spitex erschliesst sich einen neuen, spannenden Kreis an Klientinnen und Klienten. Das macht sie als Arbeitgeberin für Pflegefachpersonen noch attraktiver.

Daniel Jörg

Co-Geschäftsleiter Spitex Chur

Vorteile für alle Beteiligten
Auch die Hausärzteschaft wurde über die Planung eng orientiert – schliesslich übernehmen die ambulanten Leistungserbringer eine Patientin oder einen Patienten ganz, sobald die Person keine Spitalbehandlung mehr benötigt. «Ich bin vom breit aufgestellten Projekt begeistert», sagt Daniel Jörg. Die Behandlung zu Hause sei für das Gesundheitswesen meist günstiger. Die Patientinnen und Patienten dürften in ihrem vertrauten Umfeld gesund werden. «Und die Spitex erschliesst sich einen neuen, spannenden Kreis an Klientinnen und Klienten. Das macht sie als Arbeitgeberin für Pflegefachpersonen noch attraktiver.» Laut Gregory Fretz entlastet die Behandlung zu Hause zudem die Spitalstruktur und verringert laut Studien die Zahl von Infektionen und Delir – «und dies mit einem medizinischen Outcome, das mindestens gleich gut ist wie bei einer Behandlung im Spital.»

Blickt Daniel Jörg im Rahmen von «Care@Home 2040» (vgl. Bericht) in die Zukunft, sieht er «eine stetige Zunahme von spitaläquivalenten Behandlungen zu Hause – dank immer mehr technologischen, medizinischen und pflegerischen Möglichkeiten», wie er sagt. «Und vielleicht sehen andere Spitäler am Bündner Projekt, wie viele Vorteile das gemeinsame Vorgehen von Spital und Spitex hat, und folgen unserem Beispiel.»


Auch wissenschaftliche Einrichtungen
beschäftigen sich damit, wie die Gesundheitsversorgung zu Hause in in Zukunft aussieht – etwa die Berner Fachhochschule (BFH) und die HES-SO Valais-Wallis.

Dass wir in der Schweiz über eine hochkompetente Spitex verfügen, ist ein riesiger Vorteil für die Förderung von Care@home-Modellen.

Prof. Dr. Friederike Thilo

Co-Leiterin Swiss Center for Care@home (SCC)

BFH: ein Leitfaden zu Care@home-Modellen
Das «Swiss Center for Care@home» 5 (SCC) der Berner Fachhochschule (BFH) erforscht und entwickelt im Auftrag des Kantons Bern gemeinsam mit Leadpartnern aus Praxis und Wirtschaft «Care@home-Modelle». Das SCC versteht Care@home wie folgt: «Anstatt im Spital werden Patientinnen und Patienten nahtlos, interprofessionell ­wirksam und effizient zu Hause versorgt, sei es in der eigenen Wohnung oder zum Beispiel im Alters- und Pflegeheim. Die positiven Effekte auf die Genesung sind international bekannt», erklärt Prof. Dr. Friederike Thilo, Co-Leiterin des SCC. Angeboten werde Care@home von einem definierten Behandlungsteam, das sich am Patientenpfad orientiert sowie – wo sinnvoll – digital unterstützt arbeitet. «Die Versorgungsregion und Patientensituation entscheiden über die Wahl der zusammenarbeitenden Gesundheitsfachpersonen. Pflege und Ärzteschaft sind indes immer ein Teil von Care@home-Modellen.» Ziele seien eine frühere Spitalentlassung (z.B. bei «Hospitalisation à domicile» der Genfer Spitex IMAD), das Verhindern von Spitaleintritten (z.B. bei der Tertiärprävention) und/oder der schnellere Zugang zur Gesundheitsversorgung (z.B. bei einem Home Treatment, wenn stationäre psychiatrische Angebote überlastet sind). 

Auf dieser Basis arbeitet das SCC an der Entwicklung, Pilotierung und Implementierung von Care@home-Modellen für die Schweiz – gemeinsam mit über 70 Leadpartnern, unter anderem Spitex Schweiz sowie weiteren Verbänden und bereits mehreren Organisationen der Spitex. Entwickelt wurden bisher sechs Modelle, laut denen Care@home angeboten wird durch ein Behandlungsteam …

  • … eines Spitals (auch: «Hospital at Home»)
  • … aus Spital und Spitex
  • … aus Spitex und Arzt-/Gemeinschaftspraxis
  • … aus Heim und evtl. Spitex sowie Arzt-/ Gemeinschaftspraxis
  • … aus Heim und Spital
  • … aus allen genannten Leistungserbringerrn

Das SCC wird in den kommenden Monaten einen Leitfaden 6 veröffentlichen, der aufzeigt, wie die Care@home-Modelle aussehen können und welche Implikationen sich für die Praxis ergeben. Darauf basierend sollen die Modelle pilotiert und besser verstanden werden, um sie für die Implementierung aufzubereiten. «So können wir in absehbarer Zeit erfolgreich erprobte Care@home-Modelle made in Switzerland in die Gesundheitsversorgung integrieren», sagt Friederike Thilo. «Ein klarer Unterschied zu anderen Ländern ist, dass wir in der Schweiz über eine hochkompetente Spitex verfügen. Das ist ein riesiger Vorteil für die Förderung von Care@home-Modellen.»

HES-SO Valais-Wallis: eine Studie in zwei Phasen
In der Romandie führt die HES-SO Valais-Wallis die Studie CollHome 7 durch, die sich mit der Optimierung der Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung zu Hause befasst. «Eine optimale Versorgung von Patientinnen und Patienten zu Hause beruht insbesondere auf einer engen und koordinierten Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren», betont Chloé Schorderet, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Mitglied des Forschungsteams. Die 2023 gestartete Studie hat zwei Phasen: Die quantitative Phase ermöglichte einen Überblick – dank einer Online-Umfrage, an der über 600 Fachpersonen teilnahmen. Erste Ergebnisse zeigen, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit in diesem Setting nach wie vor unregelmässig und selten ist. «Sie beschränkt sich oft auf einen einfachen Informationsaustausch. Tatsächlich gemeinsam durchgeführte Behandlungen sind selten», so Chloé Schorderet. 

Eine optimale Versorgung zu Hause beruht insbesondere auf einer engen und koordinierten Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren.

Chloé Schorderet

Wissenschaftliche Mitarbeiterin HES-SO Valais-Wallis

Die zweite Phase zielt seit Oktober 2024 darauf ab, diese Ergebnisse durch qualitative Interviews in den Kantonen Genf, Neuenburg und Wallis zu vertiefen, welche die Bedürfnisse, Erwartungen und Rollen der verschiedenen Akteure schärfen. Indem identifiziert wird, was gut funktioniert, was Probleme verursacht und was die Teams benötigen, um die interprofessionelle Zusammenarbeit zu optimieren, bietet CollHome die Möglichkeit, gemeinsam mit Fachpersonen konkrete, realistische Strategien zu entwickeln: «Diese Ergebnisse können in institutionelle und politische Überlegungen einfliessen und die Einführung innovativer Konzepte inspirieren», sagt Chloé Schorderet, die es für sinnvoll hält, ähnliche Untersuchungen in anderen Regionen durchzuführen, «um herauszufinden, was auf nationaler Ebene verallgemeinert werden kann». In einem zweiten Schritt könnten weitere Studien die Auswirkungen von Massnahmen wie angepasste Kommunikationsmittel, mehr Zeit für den Austausch oder spezifischen Schulungen für Fachpersonen bewerten. Solche Forschungen können laut Chloé Schorderet dazu beitragen, dass die Entwicklung neuer Modelle der Versorgung zu Hause – zum Beispiel rund um Care@Home – von Beginn an auf einer soliden Grundlage für eine optimale Zusammenarbeit aufbauen kann.

  1. Es sind dies die Spitex Region Emmental, die Spitex Burgdorf-Oberburg, die Spitex AemmePlus AG sowie die Spitex Region Lueg AG. ↩︎
  2. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt mit der OdA Sozialberufe Zürich (vgl. Spitex Magazin 3/2025). ↩︎
  3. Vgl. zum Beispiel die Definition der Swiss Hospital at Home Society unter www.shahs.ch. ↩︎
  4. Siehe z.B.:, www.deloitte.com/ch/de/Industries/government-public/perspectives/hospital-at-home.html, https://shahs.ch/hospital-at-home/, https://hospitalathome.ch/wie-es-funktioniert ↩︎
  5. Mehr Informationen: www.bfh.ch/de/forschung-dienstleistungen/forschungsbereiche/swiss-center-for-care-at-home ↩︎
  6. Der Leitfaden lag bis Redaktionsschluss am 22.09.2025 nicht vor. Auf www.spitexmagazin.ch wird informiert, wenn er das tut ↩︎
  7. Mehr Informationen: www.hes-so.ch/recherche-innovation/projets-de-recherche/detail-projet/collhome-a-social-network-analysis-to-explore-collaborative-practice-in-home-care ↩︎

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