Mit versteckten Fehlern die Aufmerksamkeit schärfen

Spielerisch und interaktiv soll der «Room of Horrors» Spitex-Mitarbeitende für Gefahren und Risiken im Pflege-Alltag sensibilisieren. Nach erfolgreicher Pilotphase der realitätsnahen Trainingsmethode stellt die Stiftung Patienten­sicherheit Schweiz nun eine ausführliche Anleitung zum Download bereit.

Mitarbeitende von Spitex Zürich testen den Trainingsraum «Room of Horrors». Bild: Jean-Luc Grossmann

MARTINA KLEINSORG. In einer Küche, einem Wohn- oder Schlafzimmer liegen hier unverpackte Tabletten herum, dort ist die Flasche mit Desinfektionsmittel leer, ein Teppich wird zur Stolperfalle. Mit zahlreichen, gezielt eingebauten Fehlern und versteckten Gefahren wird aus dem nachgestellten häuslichen Setting ein «Room of Horrors». «Es ist ein praxisnahes Simulationstraining, in dem Spitex-Mitarbeitende die Fehler aufspüren sollen und so bezüglich der Risiken für die Sicherheit ihrer Klienten und Klientinnen sensibilisiert werden», erklärt Andrea Balmer, Projektleiterin bei der Stiftung Patientensicherheit Schweiz. «Im Gegensatz zu theoretischen Schulungen werden im ‹Room of Horrors› Situationen, in denen Gefährdungen im ambulanten Pflegealltag auftreten, spielerisch vermittelt und konkret erlebbar.» Zudem würden unter anderem das kritische Denken und die Beobachtungsfähigkeit gefördert, betont die aufs Gesundheitswesen spezialisierte Arbeits- und Organisationspsychologin. 

Im ‹Room of Horrors› werden Situationen, in denen Gefährdungen im ambulanten Pflegealltag auftreten, spielerisch vermittelt und konkret erlebbar.

Andrea Balmer

Projektleiterin Stiftung Patientensicherheit Schweiz

Ein Manual mit ausführlicher Anleitung und verschiedenen Szenarien mit Fallbeispielen steht ab Mitte Oktober auf der Website der Stiftung Patientensicherheit Schweiz zum Download bereit und soll allen Spitex-Organisationen die selbstständige Umsetzung eines solchen Trainingsraumes ermöglichen. «Der ambulante Sektor wird immer wichtiger und ist mittlerweile ein thematischer Schwerpunkt der Stiftung – deshalb freut uns die Publikation des neuen ‹Room of Horrors Spitex›-Manuals sehr», betont Andrea Balmer.

Bei der Entwicklung des interaktiven Trainings konnte die Stiftung Patientensicherheit Schweiz auf die enge Zusammenarbeit mit Spitex Zürich sowie Spitex Region Birs, Kinderspitex Nordwestschweiz und Kinderspitex Zürich setzen. «An einem Workshop haben Fachpersonen aus vier Spitex-Organisationen konkrete Fallbeispiele entwickelt», berichtet Ursina Mathis, Pflegeexpertin APN bei Spitex Zürich. Gemeinsam mit Fachcoach Andreas Köster konnte sie ihre Expertise bei der Erstellung des Handbuchs einbringen. In der anschliessenden Pilotphase haben die beteiligten Spitex-Organisationen eigene Trainingsräume eingerichtet und das Manual auf seine praktische Umsetzbarkeit getestet.

Der Aufwand für Planung und Organisation des Trainingsraums lohnt sich, denn der Gewinn fürs Team ist gross.

Ursina Mathis

Pflegeexpertin APN Spitex Zürich

Interprofessionalität stärkt Sensibilisierung
Bei der Entwicklung der Fehler in den Szenarien sei eine grosse Bandbreite wichtig, betont Projektleiterin Andrea Balmer. Auch Kommunikationsprobleme zwischen Klientin oder Klient und Pflegekraft können akustisch in den «Room of Horrors» eingespielt werden. 10 bis 15 versteckte Fehler pro Szenario, die es in 20 bis 25 Minuten zu entdecken gelte, lautet die Empfehlung. Von Vorteil sei, das Training in gemischten Teams von Mitarbeitenden in Pflege und Hauswirtschaft zu durchlaufen: «Gemäss einer Wirksamkeitsanalyse fördern interprofessionelle Gruppentrainings den Austausch, das gemeinsame Lernen und das gegenseitige Rollen- und Aufgabenverständnis.» Im gemeinsamen Debriefing werden alle Fehler und Gefahren aufgelöst. «Nicht selten sorgt ein übersehener Fehler für einen ‹Oha-Moment› – einen kleinen Schock, der dafür sorgt, in Zukunft genauer hinzusehen», weiss die Psychologin, doch räumt sie ein: «Man kann nicht erwarten, dass hinterher keine Fehler mehr passieren, menschliche Fehler sind unvermeidlich.» Ein Indikator für den Erfolg des «Room of Horrors» könne auch sein, dass es anschliessend vermehrt CIRS-Meldungen (Critical Incident Reporting System) gebe.

Ursina Mathis von Spitex Zürich zieht ein positives Fazit: «Der Aufwand für Planung und Organisation des Trainingsraums lohnt sich, denn der Gewinn fürs Team ist gross.» Eine Wiederholung sei angedacht. Damit auch kleinere Spitex-Organisationen vom «Room of Horrors» profitieren können, rät Andrea Balmer, diesen gemeinsam umzusetzen und so Ressourcen zu sparen. «Das Training bietet sich auch als Team-Event mit anschliessendem Apéro an.»

Das Manual «Room of Horrors Spitex» kann über diesen Link auf der Website der Stiftung Patientensicherheit abgerufen werden:
https://patientensicherheit.ch/room-of-horrors-spitex-organisationen

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