Heime und Spitex: immer häufiger vereint statt getrennt

Vielerorts in der Schweiz rücken Alters- und Pflegeheime enger mit Spitex- Organisationen zusammen. Wieso dies Sinn macht, zeigt die Allianz zwischen der Haslibrunnen AG und der Spitex Oberaargau AG in Langenthal (BE).

Sie vertiefen ihre Zusammenarbeit für ein integriertes Versorgungsmodell (von links): Thomas Rufener und Hansjörg Lüthi, Haslibrunnen AG, Verena Zimmermann und Beat Siegrist, Spitex Oberaargau AG. Bild: zvg

KATHRIN MORF. Immer mehr Spitex-Organisationen spannen auf kantonaler oder regionaler Ebene mit Alters- und Pflegeheimen zusammen, indem sie ihre Kooperation intensivieren, formalisieren oder sich sogar in einer Organisation vereinen. Folgende Gründe für dieses Zusammenrücken geben sie gegenüber den Medien an:

  • Zwei Leistungserbringer gemeinsam können ein breites Angebot aus einer Hand anbieten.
  • Die Kooperation sorgt für ein niederschwelliges, durchlässiges Angebot mit fliessenden Übergängen.
  • Heim und Spitex können gemeinsam besonders gut intermediäre Wohnangebote anbieten.
  • Die Kooperation hilft personelle Ressourcen zu sparen und bietet dem Personal breite Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. 
  • Die Kooperation verbessert die Wirtschaftlichkeit durch effizientere Prozesse oder ein gemeinsames Backoffice.

«Die unterschiedlichen Kulturen und Finanzierungs­logiken der Spitex und der Heime sowie die ungenügende Finanzierung von Koordinationsleistungen stehen integrierten Projekten jedoch oft im Weg», erklärt Verena Zimmermann, Geschäftsführerin der Spitex Oberaargau AG mit rund 130 Mitarbeitenden. «Dennoch müssen wir Leistungserbringer die integrierte Versorgung mutig vorantreiben.» Verena Zimmermann fand Gleichdenkende bei der Haslibrunnen AG aus Langenthal, die unter anderem ein Alters- und Pflegeheim betreibt. Und so taten sich die beiden Betriebe im August 2023 zu einer «strategischen Allianz zum Aufbau eines integrierten Versorgungsmodells» zusammen.

Die unterschiedlichen Kulturen überwinden
«Die Allianz wird die integrierte Versorgung zum Wohl unserer Klientinnen und Klienten verbessern und ist eine Antwort auf die Alterung der Gesellschaft und den Fachkräftemangel», sagt Verena Zimmermann. «Die Angebote für den älter werdenden Menschen sollten regional mit einem gemeinsamen Konzept und einer gemeinsamen Vision entwickelt werden», ergänzt Hansjörg Lüthi, Geschäftsführer der Haslibrunnen AG mit gut 230 Mitarbeitenden. «Die Spitex Oberaargau AG ist die ideale Partnerin für uns, da ihre Kompetenzen und Angebote die unsrigen ergänzen – und umgekehrt.» Zudem erfüllen die Organisationen nun die Vorgaben des Kantons Bern besser, der in seiner Gesundheitsstrategie 2020-2030 die verstärkte Koordination aller Leistungserbringer fordert. «Uns ist der herausfordernde Kulturwandel gelungen, unser Gärtchendenken zugunsten eines integrierten Denkens zu überwinden», lobt Verena Zimmermann die Allianz, die bereits zu folgenden Ergebnissen geführt hat:

  • Breites Angebot: Die Haslibrunnen AG bietet insgesamt rund 150 Plätze für Langzeitpflege, Reha- und Übergangspflege, Palliative Care samt Hospiz und in einer Demenz-Wohngruppe an. Hinzu kommen ein Tageszentrum und 100 Alterswohnungen. Dieses Angebot wird ergänzt durch dasjenige der Spitex: Diese bietet ihren rund 960 Klientinnen und Klienten ambulante Pflege, Hauswirtschaft und Sozialbetreuung genauso an wie Palliative Care, Psychiatriepflege und Wundmanagement oder auch einen Coiffeur- und Mahlzeitendienst. Gemeinsam bieten die Partner künftig Podologie (Fusspflege) an – in den Fusspflegestudios vor Ort genauso wie zu Hause. «Podologie ist ein niederschwelliges Angebot, das für die Spitex ein Türöffner sein kann», sagt Verena Zimmermann.
  • Durchlässigkeit: Die Durchlässigkeit der Angebote hat sich laut Verena Zimmermann verbessert. So könnten Klientinnen und Klienten der Spitex unkompliziert temporär ins Heim ziehen, etwa für ein Ferienbett oder eine Übergangspflege. Die Spitex weiss zudem stets, welche Plätze der Haslibrunnen AG frei sind. «Und die Übergänge sind fliessender dank der frühzeitigen, engen Begleitung durch beide Betriebe.»
  • Qualitätsmanagement: Die Partner treffen sich unter anderem regelmässig zu einem Austausch über Qualität, bauen eine gemeinsame Feedbackkultur auf und organisieren gemeinsame Weiterbildungen zum Thema «Qualität der integrierten Versorgung». 
  • «Healthcare-Academy Oberaargau»: In dieser neuen «Healthcare-Academy» wird auf die überbetriebliche berufliche Weiterbildung im Oberaargau fokussiert. Weiterbildung wird dabei als ganzheitlicher Prozess verstanden und umfasst insbesondere die Kompetenzerweiterung über alle Stufen. An diesem Projekt beteiligt sind auch die Heime «Schärme» aus Melchnau und die Dahlia Oberaargau AG mit mehreren Standorten. «Für weitere Partner sind wir offen», versichert Verena Zimmermann.

Wir Leistungserbringer müssen die integrierte Versorgung mutig vorantreiben.

VERENA ZIMMERMANN

Geschäftsführerin Spitex Oberaargau AG

Diese weiteren Projekte sind angedacht
«Künftig wollen wir auch in der Ausbildung enger zusammenarbeiten», berichtet die Spitex-Geschäftsführerin. Dadurch würden Auszubildende das ambulante und stationäre Setting kennenlernen, was für die Betriebe auch im Lehrstellen-Markt ein Vorteil sei. Zudem will die Haslibrunnen AG vermehrt auf intermediäre Wohnformen setzen. «Wir sind hier zwar noch in der Entwicklungsphase, sehen beim betreuten Wohnen aber einen riesigen Bedarf. Die Leistungen für diese Wohnform will die Haslibrunnen AG zusammen mit der Spitex abdecken», erklärt Hansjörg Lüthi. 

Schliesslich diskutieren die Partner über mögliche Synergien in Bezug auf Management, Finanzen, IT und HR. «Eine vollständige Fusion schliesse ich aber aus», stellt Verena Zimmermann klar: «Schliesslich ist die Spitex Oberaargau AG nicht nur für Langenthal, sondern für ein Dutzend Gemeinden von Bützberg über Melchnau bis Wangen an der Aare zuständig». Zum Beispiel besteht eine Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen der Spitex und dem «Schärme» in Melchnau. Diese führt dazu, dass Spitex-Mitarbeitende in den abendlichen Spitzenzeiten im Heim mithelfen. Zudem bezieht der Spitex-Mahlzeitendienst seine Mahlzeiten ab September 2024 vom «Schärme». Und bereits im Juni 2024 ist der Melchnauer Spitex-Stützpunkt in das Heim umgezogen. «Das wird unsere enge Zusammenarbeit weiter vorantreiben», sagt Verena Zimmermann.

Die finanziellen Hürden bleiben
Doch zurück zur Allianz der Spitex mit der Haslibrunnen AG. Diese bereitet zwar viel Freude – die finanziellen Hürden bleiben aber. «Beide Betriebe investieren eigenes Geld in gemeinsame Angebote wie die Healthcare-Academy», sagt Verena Zimmermann. «Wir sehen dies als Investment in unsere Zukunft als agile Leistungs­erbringer und attraktive Arbeitgeber. Ich wünsche mir aber sehr, dass die Politik schon bald nicht nur integrierte Versorgung fordert, sondern diese auch angemessenen finanziert.»

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