Die Spitex blickt 15 Jahre in die Zukunft

Am Nationalen Spitex-Kongress von Spitex Schweiz vom 9. September 2025 wurde darüber referiert und diskutiert, wie sich die Schweizer Gesundheitsversorgung in 15 Jahren gestalten wird. «Care@Home 2040» lautete das Thema des Kongresses in Bern, dem über 400 Besuchende beiwohnten. Die folgende Bildstrecke geht in Kürze und Würze auf die Inhalte der vielseitigen Referate, regen Diskussionsrunden und kunterbunten sonstigen Programmpunkte ein. Klar geworden ist an der Veranstaltung insgesamt: Die Zukunft der Gesundheitsversorgung findet vermehrt zu Hause statt, stellt den Menschen ins Zentrum, ist integriert und technologisch unterstützt – und die Spitex ist mittendrin.

Bilder: Anja Zurbrügg Photography ; Texte: Kathrin Morf

Über 400 Fachpersonen aus der Spitex und dem restlichen Gesundheitswesen folgten der Einladung von Spitex Schweiz und fanden sich zum Nationalen Spitex-Kongress vom 9. September 2025 im Stadion Wankdorf in Bern ein. Zentrales Thema war das Zukunftsbild «Care@Home 2040», also über die Gesundheitsversorgung zu Hause in 15 Jahren.

Thomas Heiniger, Präsident von Spitex Schweiz, zeigte in seiner Begrüssungsrede auf, dass die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu Hause aus Sicht von Kindern in den Händen der Technologie liegt – samt Pflegerobotern und Drohnen. Er sei überzeugt, dass alle Anwesenden ebenfalls ein Bild von «Care@Home 2040» im Kopf hätten, fügte er an. «Meine Hoffnung ist, dass wir im Laufe des Tages unsere vielen Bilder diskutieren und danach schärfen, wie wir daraus ein gemeinsames Zielbild entwickeln können.» Und er betonte: «Die Zukunft der Pflege zu Hause beginnt heute und hier. Mit Ihnen. Dank Ihnen.»

Moderiert wurde der Kongress von Hannes Blatter und Flurina Landis. In ihrer einleitenden Fragerunde wurde beispielsweise klar: Alle Regionen der Schweiz waren unter den Besuchenden vertreten und zahlreiche Anwesende sind schon über 15 Jahre für die Spitex tätig.

Prof. Dr. med. Stéfanie Monod, Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), sprach über die Herausforderungen für das Schweizer Gesundheitswesen bis 2040. «Unser Gesundheitswesen ist zwar von hoher Qualität», stellte sie klar. «Es sieht sich aber auch mit nie dagewesenen Herausforderungen konfrontiert, zum Beispiel der demografischen Entwicklung.» Dass ein immer grösserer Anteil der Menschen nicht erwerbstätig sowie auf Unterstützung angewiesen sei, werde den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen akzentuieren und dazu führen, «dass noch stärker priorisiert werden muss, wo vorhandene öffentliche Gelder investiert werden». Weiter werde das Gesundheitswesen immer mehr mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert, etwa mit den Auswirkungen der Hitze auf die Gesundheit. Zudem sei das Gesundheitswesen gemäss einer Genfer Studie selbst für 6.7 Prozent der Treibhausemissionen der Schweiz verantwortlich. «Wir alle müssen uns überlegen, wie wir diese Emissionen reduzieren können», appellierte sie an die Anwesenden.

Prof. Dr. Andreas Balthasar, Titularprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Luzern, stellte «Gesundheitsnetz für alle – pour tous – per tutti» vor. Über 50 Stakeholder haben diese Vision der ambulanten Gesundheitsversorgung im Jahr 2040 im Rahmen des Projekts Health2040 entwickelt (www.de.health2040.ch). Er erklärte, dass dieses Gesundheitsnetz unter anderem die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellt, die Patientinnen und Patienten einbezieht und auf eine interprofessionelle und digital unterstützte Zusammenarbeit setzt. «Es geht nicht darum, in der ganzen Schweiz das gleiche Modell zu haben», stellte er klar. «Aber alle Patientinnen und Patienten sollten einen niederschwelligen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung haben, die vernetzt und bevölkerungsorientiert ist und verschiedene Gesundheitsdienstleister zusammenbringt.» Die Spitex sei dabei als wichtiger Pfeiler der ambulanten Gesundheitsversorgung «hochlegitimiert, eine führende Funktion bezüglich der Gestaltung der zukünftigen ambulanten Versorgung einzunehmen».

Für viele Lacher im Publikum sorge Live-Cartoonist Jonas Raeber. Er griff das am Kongress Gesagte in seinen Illustrationen humorvoll auf. Beispielsweise zeichnete er Superhelden in Spitex-Farben – oder eine Weltkugel und eine demografische Kurve, die im Krankenbett liegen und damit Klimawandel und Alterung der Gesellschaft symbolisieren.

Am Podium der Premiumpartner von Spitex Schweiz meldete sich Hans-Peter Nehmer, Chief Communications Officer (CCO) von Allianz Suisse, per Videobotschaft zu Wort. 2040 werde die Spitex «als Koordinationszentrum für eine exzellente Versorgung dienen», sagte er. Allianz Suisse unterstütze die Spitex heute und morgen, zum Beispiel durch ein Case-Management in komplexen Situationen. Rolf Bona (links), CEO & Product Development bei der SmartLife Care AG, erklärte, dass die Spitex 2040 noch mehr technische Hilfsmittel einsetzen werde. SmartLife Care biete solche Hilfsmittel bereits in Form von Notruflösungen an und achte dabei auf die Triage zwischen «dem technisch Möglichen und dem menschlich Akzeptierten». Luca De Vito (rechts), Head of Marketing and Communication bei der Publicare AG, versicherte, dass sein Unternehmen «alles Mögliche dafür tut, der Spitex so gut wie möglich Workload abzunehmen, damit ihr euch auf das Wesentliche konzentrieren könnt». Und dies sei und bleibe in der Pflege vor allem eines: Menschlichkeit.

Marianne Pfister und Cornelis Kooijman, Co-Geschäftsführende von Spitex Schweiz, umrissen «Care@Home 2040» aus ihrer Sicht. «Care@Home 2040 ist ein integriertes, interprofessionelles Versorgungsnetzwerk, das den Menschen ins Zentrum stellt», führte Marianne Pfister aus. Es umfasse alle gesundheitsbezogenen Leistungen zu Hause in Akut- und Langzeitsituationen – medizinische, pflegerische, therapeutische und soziale, und dies von der Prävention bis zur Rehabilitation. «Und die Spitex muss heute und morgen eine prägende Rolle in diesem Versorgungssystem einnehmen», stellte sie klar. Um die Vision «Care@Home 2040» Realität werden zu lassen, brauche es nun nicht nur starke Kooperationen – «es braucht auch eine gute, alle Leistungserbringer gleich behandelnde Finanzierung der integrierten Versorgung.»

Cornelis Kooijman fügte an, dass die Spitex immer mehr Klientinnen und Klienten aller Altersstufen betreuen wird. «Neu wird 2040 sein, dass die meisten dieser Klientinnen und Klienten sehr digital unterwegs sein werden», sagte er. Von der Spitex erwarteten sie ebenfalls digitale Kompetenzen – ebenso wie zum Beispiel Gesundheitsförderung und Prävention sowie Kontinuität in der Versorgung. «Und sie wollen Co-Piloten in ihrer eigenen Versorgung sein statt blosse Leistungsempfänger», ergänzt er. Cornelis Kooijman lobte im Weiteren, dass viele der Anwesenden «die Zukunft bereits aktiv mitgestalten». Und er appellierte gemeinsam mit Marianne Pfister an die Anwesenden: «Seid aktiv. Seid vernetzt. Seid digital. Seid innovativ.»

Im Rahmen eines Podiums diskutierten vier Vertreterinnen und Vertreter der Spitex-Basis mit Moderator Hannes Blatter über «Die Rolle der ambulanten Pflege in einer sich wandelnden Gesellschaft».

Claudia Lötscher, Leiterin Fachentwicklung bei SPITEX BASEL führte aus, dass in Zukunft nicht nur die chronischen Krankheiten ein grosses Thema für die Spitex sein werden. «Auch psychische Krankheiten werden weiter zunehmen. Und die Spitex wird auf immer mehr Menschen treffen, die einsam und isoliert leben. Dass die Spitex damit auf immer weniger Angehörige zurückgreifen kann, wird eine enorme Herausforderung sein», sagte sie – und wünschte sich, «dass nicht mehr über oder für die Pflege gedacht wird, sondern dass wir uns aktiv einbringen und die Zukunft mitgestalten können». Hannes Koch, CEO der Spitex Kriens, stellte derweil klar: «Care ist nicht nur Pflege, Care ist auch Betreuung». Er sei überzeugt, dass die «Musik künftig in diesem Bereich spielt» und die Spitex in der Betreuung Angebote schaffen müssen, damit viele Menschen künftig zu Hause leben können. Auch er zeigte sich überzeugt, dass die Spitex nicht auf externe Veränderungen warten darf, sondern kommunale und kantonale Projekte vorantreiben muss. «Let’s Go!», sagte er ans Publikum gewandt.

Ayah Ramadan (links), Generalsekretärin der Genfer Spitex IMAD, führte aus, dass ihre Organisation die künftigen Bedürfnisse von verschiedenen Gruppen vorauszusehen versuche – zum Beispiel auch diejenigen von Menschen mit Behinderung oder jungen Menschen mit gesundheitlichen Problemen. So könne die IMAD frühzeitig auf Wandel reagieren. «Die Spitex muss ihren bestehenden Handlungsspielraum ausnutzen, statt auf die Veränderung ihrer Rahmenbedingungen zu warten», riet sie. «Wir können selbst innovativ sein und Pilotprojekte lancieren, um unsere Ziele zu erreichen.» Christina Gygax, Geschäftsführerin der careköniz AG, ging unter anderem auf die Finanzierung ein, welche die Gestaltung der Zukunft herausfordernd macht. «Wichtig ist, dass wir Gemeinden und Kantone rasch mit uns an einen Tisch holen, um gemeinsam mit ihnen Lösungen zu finden», sagte sie. Auch stellte sie klar, wie wichtig die Digitalisierung in Zukunft für die Entlastung der Spitex in Zeiten des Fachkräftemangels ist. Und sie wünschte sich von der Spitex «hin und wieder etwas Biss und Kanten», denn diese seien nötig für die Arbeit in Netzwerken.

In der Mittagspause konnten die Teilnehmenden erneut Kontakte knüpfen und erneuern, mit anderen Fachpersonen diskutieren und plaudern – und natürlich den Steh-Lunch geniessen.

Auch die Stände der Sponsoren boten in den Pausen viele Informationen und Innovationen sowie Unterhaltung und spannende Gespräche.

Ein Experiment wagte Spitex Schweiz am Nachmittag mit einem «World-Café» zum Thema «So sieht Care@Home 2040 aus». Ein World-Café bedeutet einen Austausch grosser Gruppen in «Café-Atmosphäre»: Die gut 400 Teilnehmenden trafen sich in 50 Kleingruppen an Stehtischen und diskutierten erst die Fragen, wer die Klientinnen und Klienten der Spitex 2040 sein werden und welche Leistungen die Spitex dann anbieten wird. Ihre Ergebnisse hielten die Gruppen in einer Zeichnung fest. Die Diskussionen waren angeregt und die Illustrationen höchst unterschiedlich. Besonders häufig stellten die Teilnehmenden indes kreativ dar, dass die Spitex auch im Jahr 2040 ihre Klientinnen und Klienten von der Geburt bis zum Tod pflegen wird – Nuggis, Babys, Greise und gar Gräber wurden dafür zu Papier gebracht.

In der zweiten Runde formierten sich die Gruppen neu und versuchten für eine Illustration einen passenden Slogan zu finden. Zum Bild eines Leistungs-Kompasses schrieb eine französischsprachige Gruppe «Avec Spitex, t’es pas à l’ouest!» (in etwa: «mit der Spitex bist du nicht aufgeschmissen»). Auf Deutsch fand sich zur Illustration eines Spinnennetzes der Slogan: «Spi(nn)tex – alles unter einem Netz». Auf italienisch hiess ein Spruch «protagonisti nella construzione delle future prestazioni» (in etwa: «Hauptdarsteller im Aufbau der Leistungen der Zukunft»). Und auf Englisch entstand unter anderem der Slogan «Lonely but loved – by Spitex» («einsam, aber geliebt – von der Spitex»). Alle Teilnehmenden hätten sich sehr lustvoll engagiert, lobte Moderatorin Flurina Landis das World-Café am Ende.

TV-Moderatorin Mona Vetsch sprach zum Thema «Grosses erreichen. Einblick in den persönlichen Weg von Mona Vetsch» – auch wenn sie selbstironisch erklärte, bei einer Körpergrösse von 1.55 Metern könne sie Grosses nur mithilfe einer Leiter erreichen. «Schämt euch nicht, Dinge zu tun, die ihr nicht perfekt könnt», riet sie den Anwesenden dann in Bezug auf die Frage, wie die Spitex ihre Zukunft anpacken könne. Weiter brauche es unter anderem Mut, Neugier, Sicherheit, Vertrauen – «und insbesondere Freude an dem, was ihr tagtäglich tut». Ausserdem berichtete die Thurgauerin von ihrem Besuch bei der Spitex im Rahmen der TV-Sendung «Mona Mittendrin». «Beeindruckt hat mich die Bereitschaft der Spitex, sich auf Begegnungen und Menschen einzulassen», sagte sie. Das ist ein unglaublich grosses Geschenk in dieser Zeit, in der niemand mehr Zeit hat.»

Nach den Dankesworten von Marianne Pfister an alle Referentinnen und Referenten, Teilnehmenden, Sponsoren und die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle von Spitex Schweiz, machten sich alle Anwesenden auf den Heimweg – und erhielten hierfür verschiedene «Give-Aways». Darunter befand sich ein Häuschen mit drei Glückskeksen von Spitex Schweiz, in denen je ein Spruch zu «Care@Home 2040» steckte. So stand dort, gewissermassen als Bilanz des Anlasses: «Die Zukunft der Pflege ist das, was wir heute gemeinsam daraus machen.» «Save the date»: Der nächste Nationale Spitex-Kongress findet am 10. September 2026 statt.

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