7 min 10. Juli 2025

Die Hitze im Griff: Wie die Spitex Mitarbeitende und Klienten schützen kann

Hitzewellen nehmen in der Schweiz zu und stellen besonders für ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen eine grosse Herausforderung dar. Spitex-Organisationen stehen in der Verantwortung, ihre Mitarbeitenden und – so gut als möglich – auch ihre Klientinnen und Klienten vor den gesundheitlichen Risiken von Hitze zu schützen. Welche Massnahmen helfen im Alltag – und wie lässt sich Vorsorge treffen?

KARIN MEIER. Der Juni 2025 war in Westeuropa der heisseste seit Messbeginn – und Hitzetage dürften weiter zunehmen. Insbesondere für ältere Menschen, chronisch Kranke, Schwangere, Kleinkinder und Säuglinge kann Hitze schnell eine gesundheitliche Belastung darstellen. Wenn der Körper nicht mehr ausreichend kühlen kann, drohen Erschöpfung, Kreislaufprobleme oder sogar ein Hitzschlag. Auch bestehende Erkrankungen können sich verschärfen – insbesondere Herz-Kreislauf-, Atemwegs-, Nieren- und psychische Erkrankungen.
Hinzu kommt: Bei hohen Temperaturen breiten sich Bakterien und auch Viren schneller aus. Einer Untersuchung zufolge gingen hitzebedingte Notfall-Spitaleintritte im Jahr 2015 vor allem auf Infektionskrankheiten, Lungenentzündungen und Erkrankungen des Urogenital- und Verdauungssystems zurück. Dies alles hält der Schlussbericht «Gesundheitliche Auswirkungen von Hitze in der Schweiz und die Bedeutung von Präventionsmassnahmen» des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts aus dem Jahr 2020 fest.

Auch die Tage danach sind kritisch
Ab etwa 30 Grad Celsius steigt das Risiko für gesundheitliche Komplikationen spürbar – mit jedem weiteren Grad verschärft sich die Lage. Kritisch sind dabei nicht nur die Tageshöchstwerte: Tropennächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad sinken, verhindern eine nächtliche Erholung und verstärken die Belastung zusätzlich. Entwarnung folgt nicht unmittelbar nach einem Hitzetag: Negative gesundheitliche Auswirkungen können sich auch an den Tagen danach noch bemerkbar machen.

Selbstschutz für Spitex-Mitarbeitende: Hitze bewusst begegnen
Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat «Drei goldene Regeln für Hitzetage» sowie «Schutz bei Hitze. Informationen für Gesundheitsfachpersonen» aufgestellt. Sie können kostenlos heruntergeladen und als Printversion bestellt werden. Die Empfehlungen lassen sich gut auf den Spitex-Alltag übertragen:

  • Richtig lüften und kühlen: Halten Sie Büroräume tagsüber möglichst kühl: Fenster und Storen bleiben geschlossen, um Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Gelüftet wird am besten in den frühen Morgenstunden oder nachts. Wenn die Luftfeuchtigkeit tagsüber im Büro stark ansteigt, hilft leichter Durchzug. Ventilatoren können für Erleichterung sorgen, Klimageräte sollten sparsam und fachgerecht eingesetzt werden.
  • Aktiv kühlen und Pausen einplanen: Regelmässige Erfrischung ist zentral: Kühle Tücher auf Stirn oder Nacken, kalte Fussbäder oder kurzes Abduschen helfen, die Körpertemperatur zu regulieren. Planen Sie kurze Erholungspausen ein, besonders während der heissesten Tageszeit. Achten Sie auf Warnzeichen wie Schwindel, Müdigkeit oder Kopfschmerzen.
  • Leichte Kleidung und Ernährung: Tragen Sie luftige Kleidung aus Naturfasern wie Baumwolle oder Leinen. Trinken Sie regelmässig – mindestens 1.5 Liter pro Tag – und nehmen Sie auf Ihre Touren immer eine grosse Wasserflasche mit. Falls Sie mit dem Velo unterwegs sind, tragen Sie ausreichend Sonnencreme auf. Leicht verdauliche, wasserreiche Lebensmittel wie Obst und Gemüse sind ideal. Auch salzhaltige Snacks können sinnvoll sein.
Seniorinnen und Senioren sind durch Hitzewellen besonders gefährdet. Themenfoto: iStock

Prävention beginnt beim Hausbesuch
An Hitzetagen kommt den Spitex-Mitarbeitenden eine zentrale Rolle zu: Sie sind oft die einzigen Kontaktpersonen und damit zentral für den Schutz gefährdeter Menschen. Zu den Risikogruppen zählen nebst den bereits erwähnten auch alleinlebende sowie hilfs- und pflegebedürftige Personen und solche mit geringen sozioökonomischen Ressourcen. Das BAG empfiehlt unter anderem folgende Massnahmen für Gesundheitsfachpersonen:

  • Hitzeschutz planen und kommunizieren: Behalten Sie die Wetterlage im Blick und informieren Sie intern über bevorstehende Hitzewellen. Listen Sie Klientinnen und Klienten mit erhöhtem Risiko frühzeitig auf und stellen Sie deren tägliche Betreuung sicher. Neben geplanten Besuchen können auch kurze telefonische Kontakte helfen, besonders bei Alleinlebenden. Das Thema Hitze sollte aktiv angesprochen werden – etwa mit dem Flyer «Drei goldene Regeln für Hitzetage» als Gesprächseinstieg.
  • Medikamente und Lagerung prüfen: Manche Medikamente erhöhen die Hitzebelastung oder verlieren bei hohen Temperaturen ihre Wirkung. Weisen Sie behandelnde Ärztinnen und Ärzte oder Apotheken auf mögliche Risiken hin. Medikamente sollten nie direkter Sonne ausgesetzt sein und korrekt gelagert werden.
  • Raumklima verbessern: Helfen Sie mit, Wohnräume von Klientinnen und Klienten kühl zu halten. Ist die Wohnung ungleich temperiert, empfiehlt es sich, den Aufenthalt in den kühlsten Räumen zu ermöglichen. Auch Ventilatoren können unterstützend wirken – jedoch nur mit Vorsicht und angepasst an den Gesundheitszustand der Person.
  • Flüssigkeitszufuhr sicherstellen: Erinnern Sie Klientinnen und Klienten regelmässig ans Trinken – idealerweise ein Glas pro Stunde. Wasser, ungesüsste Tees oder verdünnte Apfelschorlen sind gut geeignet. Gerade ältere Menschen haben oft ein vermindertes Durstgefühl. Trinkpläne oder ein Trinktagebuch können unterstützen. Bei Herz- oder Nierenproblemen sollte die Trinkmenge ärztlich abgestimmt sein.
  • Essen bei Hitze: Kleine, gut verträgliche Mahlzeiten entlasten den Kreislauf. Fettige und stark zuckerhaltige Speisen sollten vermieden werden. Achten Sie bei älteren Menschen auf ausreichende Eiweisszufuhr. Verderbliche Lebensmittel sollten immer im Kühlschrank aufbewahrt werden.
  • Gezielte Abkühlung ermöglichen: Kühle (Fuss- und Hand-)Bäder und kühlende Lotionen sowie Kältepackungen schaffen Linderung. Auch leichte Kleidung und Bettwäsche helfen, den Alltag bei Hitze angenehmer zu gestalten.
  • Einsätze flexibel gestalten: Verlegen Sie nach Möglichkeit Hausbesuche in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden. Verzichten Sie bei grosser Hitze auf körperlich belastende Pflegemassnahmen. In bestimmten Fällen kann auch ein kurzer Telefonanruf statt eines Besuchs sinnvoll sein – gerade bei stabilen Klientinnen und Klienten.

Strategien gegen die Hitze: So rüsten sich Spitex-Organisationen
Mit zunehmenden Hitzetagen wächst der Druck auf Spitex-Organisationen, sich strukturell auf gesundheitliche Risiken vorzubereiten. Wer bloss auf das nächste Thermometerhoch reagiert, ist zu spät dran. Ein systematischer Umgang mit Hitzewellen ist gefragt – idealerweise im Rahmen eines Hitzeschutzkonzepts, das – basierend auf den Empfehlungen des BAG – folge Punkte umfassen sollte:

  • Klare Zuständigkeiten definieren: Wer beobachtet die Wetterlage? Wer informiert das Team bei einer Hitzewarnung? Wer erstellt die Liste mit den besonders gefährdeten Klienten? Wer passt die Einsatzplanung an?
  • Administrative Abläufe regeln: Wer organisiert Flyer und Infomaterialien des BAG? Und wer sorgt dafür, dass diese zur richtigen Zeit an die richtigen Stellen gelangen – sei es bei Hausbesuchen, in Aufenthaltsräumen oder im Intranet?
  • Gebäude als Schutzfaktor einplanen: Bei der Wahl von Stützpunkten lohnt sich der Blick auf die baulichen Gegebenheiten. Wie gut sind die Räume isoliert? Gibt es aussenliegende Beschattungsmöglichkeiten? Wie sonnenexponiert sind die Räume, zum Beispiel weil sie nach Süden ausgerichtet sind oder im Dachgeschoss liegen? In Zeiten des Klimawandels wird baulicher Hitzeschutz zur Standortfrage.
  • Schulungen für alle: Ein wichtiger Punktist das Wissen im Team. Wer weiss, wie sich Hitze auf bestimmte Medikamente auswirkt? Wer erkennt frühzeitig Überhitzungssymptome bei älteren Menschen? Schulungen und Merkblätter helfen, die Reaktionsfähigkeit im Alltag zu erhöhen und das Bewusstsein für Prävention zu stärken. Interne Reflexionen nach Hitzewellen helfen, bestehende Massnahmen zu verbessern.

Genf machts vor: Die IMAD setzt auf Frühintervention und Kooperation
Wie ein ganzheitlicher Hitzeschutz aussieht, zeigt die Genfer Spitex-Organisation IMAD. Alle 70 Stützpunkte wurden mit Klimaanlagen und Ventilatoren ausgerüstet, Informationsplakate klären Personal und Klienten auf (vgl. Spitex Magazin 4/2019). Bei jedem Hausbesuch erinnern die Pflegeteams an präventive Massnahmen, schreibt die IMAD in einer Medienmitteilung. Besonders wirksam ist die telefonische Frühintervention: Allein während der Hitzewelle vom 27. Juni bis am 4. Juli 2025 kontaktierten die Mitarbeitenden von IMAD innert einer Woche über 13’000 zuvor als gefährdet identifizierte Personen. Bei Bedarf folgte ein Hausbesuch – 226 Mal war das der Fall, in sechs Fällen kam es zu Hospitalisierungen. IMAD geht dabei nicht im Alleingang vor: Das jährliche Hitzeschutz-Dispositiv von Mai bis September basiert auf enger Zusammenarbeit mit der kantonalen Gesundheitsdirektion, dem Kantonsarzt und den Gemeinden. Ergänzend bietet die IMAD Workshops für Gemeindepersonal und Freiwillige an.

Fazit: Mit einfachen, aber konsequent umgesetzten Massnahmen können Spitex-Organisationen viel zur Gesundheit ihrer Mitarbeitenden sowie ihren Klientinnen und Klienten beitragen. Vorbereitung, Aufmerksamkeit und Flexibilität sind der Schlüssel – besonders dann, wenn die Temperaturen – wie es in diesem Sommer der Fall ist – Rekorde brechen.

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