«Letztes Jahr habe ich fast 600 Briefe beantwortet»
Robert Zellweger aus Wienacht (AR) beantwortet jedes Jahr Hunderte Briefe, die Kinder und Erwachsene an weihnachtliche Figuren wie das Christkind richten. Der 68-Jährige spricht über diese besondere Aufgabe und seine Erfahrungen mit der Spitex.
SPITEX MAGAZIN: Herr Zellweger, seit fünf Jahren beantworten Sie Hunderte Briefe, die Kinder und Erwachsene an das Christkind oder «Père Noël» in Ihrem Wohnort Wienacht (AR) senden. Wie kam es dazu und wer schreibt Ihnen genau?
ROBERT ZELLWEGER: Ich übernahm diese Aufgabe von Willi Würzer, dem ehemaligen Posthalter von Wienacht. Gemeinsam mit seiner Frau beantwortete er sicher 30 Jahre lang Weihnachtsbriefe. Als er diese Aufgabe aus Altersgründen weitergeben wollte, war für mich klar, dass ich die Tradition weiterführe. Zu Beginn beantwortete ich rund 400 Briefe ans Christkind, den Samichlaus, Santa Claus, Père Noël oder Babbo Natale, letztes Jahr waren es knapp 600. Briefe aus der Schweiz stammen zu 90 Prozent von Kindern, die oft Wunschlisten beilegen und sich zum Beispiel wünschen, dass sich Mami und Papi wieder vertragen oder dass der Krieg in der Ukraine endet. Briefe aus Deutschland sind hingegen zu zwei Dritteln von Erwachsenen und enthalten zum Beispiel die Bitte, dass ich ihren Kindern oder Enkeln einen schönen Brief mit Weihnachts-Briefmarke und -Stempel schreibe. Briefe aus Ländern wie Russland, Belarus, der Ukraine, England, Spanien, Frankreich, Thailand und den USA sind oft eine Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kindern und erzählen häufig eine Geschichte aus ihrem Leben. Die über 100 Briefe, die mich jährlich aus Japan und China erreichen, stammen schliesslich oft von jungen Erwachsenen, die mir von einem Problem berichten und um Rat fragen. Diese Schreiben versuche ich besonders persönlich zu beantworten und nehme hierfür oft den Rat meiner Frau Maria in Anspruch.
Sie waren Pflegefachmann Psychiatrie, leiteten lange Ihre eigene Firma für Dentalinstrumente und sind heute Briefeschreiber. Haben Sie Ihren Traumberuf bereits gefunden?
Mit dem Ausbau und der Führung meiner Hoewa GmbH habe ich tatsächlich meinen Traumberuf gefunden. Die Arbeit als Christkind ist eher mein Traumhobby. Beim Lesen und Beantworten der Briefe tauche ich in eine Traumwelt ein, die beruhigend und befriedigend ist und mich mit Glücksgefühlen und Stolz erfüllt.
Verraten Sie uns eine Macke und ein Talent, die sich bei Ihrer weihnachtlichen Aufgabe zeigen?
Wenn ich in der «Blase» bin, in die ich beim Bearbeiten der Briefe eintauche, darf mich niemand stören, sonst reagiere ich weniger freundlich. Ein Talent betrifft vielleicht die Briefe ohne vollständigen Absender: Da recherchiere ich so lange, bis ich die vollständige Adresse gefunden habe. Manchmal hilft mir zum Beispiel eine notierte Handynummer oder E-Mail-Adresse, über die ich nachfragen kann – oder aber die Post Heiden kann mir weiterhelfen. Bei Briefen aus dem Ausland kommt es Gott sei Dank sehr selten vor, dass der Absender fehlt.
Könnten Sie von einer Person Ihrer Wahl einen Brief erhalten, wer wäre dies?
Ich hatte vor zwei Jahren einen Austausch auf Instagram mit TV-Moderatorin Mona Vetsch über meine Arbeit als Briefeschreiber. Mit ihr würde ich mich gern weiter austauschen, allerdings eher von Angesicht zu Angesicht. Denn angesichts von 600 Briefen pro Jahr ist mein Bedarf an Briefeschreiben eigentlich gedeckt.
Und zum Schluss: Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Spitex?
Eine Freundin und meine Eltern waren eine Zeit lang auf die Unterstützung der Spitex angewiesen. Bei meinen Eltern brauchte dies zu Beginn ziemlich viel Überzeugungsarbeit. Mit der Zeit überwog aber die Dankbarkeit für die Unterstützung. Menschen möchten immer länger zu Hause bleiben, weswegen die Arbeit der Spitex sehr wichtig ist. In Zukunft wird die Spitex sicher mehr gefördert und ausgebaut werden müssen. Und ich glaube, dass meine Generation sich bewusster ist, als es noch meine Eltern waren, dass es kein Makel ist, zu gegebener Zeit Hilfe in Anspruch zu nehmen.
INTERVIEW: KATHRIN MORF
Zur Person
Robert Zellweger, geboren am 31.07.1956, wuchs mit zwei Brüdern in Basel auf. Er arbeitete als Pflegefachmann Psychiatrie und Leiter eines Altersheims, absolvierte die Handelsdiplomschule und leitete viele Jahre lang seine Hoewa GmbH, die Dentalinstrumente repariert und wartet. Heute ist der 68-Jährige noch als Hilfe auf Abruf für sein Unternehmen tätig, lebt in Wienacht AR, hat eine Tochter sowie drei Enkel und ist verheiratet mit einer Frau, die passend zu seiner weihnachtlichen Aufgabe Maria heisst. Das 350-Seelen-Dorf Wienacht erhält jedes Jahr Hunderte Briefe an Charaktere wie das Christkind. Seit vier Jahren beantwortet Robert Zellweger diese. Weitere rund 36 000 Briefe, die in der Schweiz jedes Jahr an weihnachtliche Gabenbringer gesendet werden und in der letzten Adressezeile nicht «Wienacht» enthalten, werden von Mitarbeitenden der Schweizerischen Post in Cadenazzo (TI) beantwortet. Robert Zellweger arbeitet unentgeltlich und finanzierte bis 2023 das Briefpapier selbst, nun übernimmt der lokale Verkehrsverein alle Kosten. Der 68-Jährige beantwortet Briefe in Deutsch, Englisch und Französisch selbst und behilft sich ansonsten mit Übersetzungsprogrammen. Seine Briefe sind stets mit eigens hierfür kreiertem Stempel und Sonderbriefmarke geschmückt und enthalten eine Weihnachtgeschichte, welche dieses Jahr vom Fest bei einer leicht dementen Grossmutter handelt.