
«Die Mitarbeitenden der Pflege im Alter sind phänomenal»
Pia Sundhage, 65, ist Trainerin der Schweizer Frauen-Fussball-Nationalmannschaft. Im Interview spricht die Schwedin über die am 2. Juli 2025 beginnende Europameisterschaft (EM) in der Schweiz, über ihren einstigen Traumberuf sowie über die Pflege.
INTERVIEW: KATHRIN MORF

SPITEX MAGAZIN: Frau Sundhage, im Februar 2024 sagten Sie gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF: Die Schweizer Fussball-Frauen-«Nati» für die EM auf Kurs zu bringen und hierzulande eine Euphorie für das Turnier zu entfachen, sei «ein grosser Berg, den es […] zu besteigen gilt»: Wie viel fehlt zum Zeitpunkt dieses Interviews Mitte Mai nun noch zum Gipfel dieses Berges?
PIA SUNDHAGE: Wir kommen dem Gipfel näher und näher, aber ob man ihm nah genug ist, weiss man nie. Ich habe inzwischen eine bessere Vorstellung davon, welche Art von Leadership wir zeigen und welche Art von Fussball wir spielen werden. Und ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass wir eine grosse Chance haben, in unserer Gruppe weiterzukommen, wenn wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig zu Bestleistungen anspornen werden. Was die Euphorie betrifft: Ich bin wirklich glücklich, dass die derzeitigen Interviewanfragen zeigen, dass die Menschen neugierig auf unser Team sind. Dass die EM etwas Grosses sein und den Unterschied für die Zukunft des Frauenfussballs in der Schweiz ausmachen könnte, begreife ich aber erst dann, wenn mich jemand auf der Strasse erkennt oder in Bern mit dem Velo an mir vorbeifährt und ruft: «Hopp Schwiiz!»
Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass wir eine grosse Chance haben, in unserer Gruppe weiterzukommen.
Pia Sundhage
Trainerin Schweizer Fussball-Nationalmannschaft
Sie haben eine beeindruckende Karriere als Fussballspielerin und Trainerin absolviert. Gab oder gibt es indes auch einen anderen Beruf, von dem Sie einst träumten oder immer noch träumen?
Ich wollte Lehrerin werden. Denn ich bin fasziniert davon, wie man eine ganze Gruppe unterrichten kann. Aber jetzt werde ich früher oder später in den Ruhestand gehen und es wird keine weiteren beruflichen Träume mehr geben. Stattdessen geht es nun darum, auf meine Karriere zurückzublicken und zu sehen, was ich erreicht habe.
Verraten Sie uns eine Macke oder Talent, die in der Öffentlichkeit trotz Ihrer häufigen Medienpräsenz bisher noch kein Thema waren?
Was die meisten Menschen nicht wissen, ist die Tatsache, dass ich ein Pferd habe und reiten lerne. Meine kleine Schwester kümmert sich um das Tier, was mich ihr noch näher brachte. Sie ist Reitlehrerin und wir sprechen viel über das Thema Coaching in ihrem und meinem Beruf. Bei beiden ist die Frage zentral, wie der Mensch lernt und wie er gutes Feedback erhält. Dass beim Reitunterricht neben Menschen auch noch ein Tier mitwirkt, macht dieses Coaching in meinen Augen noch interessanter.
Sie gelten als grosse Anhängerin des brasilianischen Fussballspielers Pelé (1940–2022). Gibt es auch eine lebende Person, welche Sie gern einmal treffen würden?
Ich würde gerne die schwedische Aktivistin Greta Thunberg treffen; wegen ihres grossen Einsatzes und Engagements in Sachen Klimawandel. Ich finde, sie hat sehr viel Mut – und sie lässt ihren Worten Taten folgen.
Und weil dies das Spitex Magazin ist: Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Langzeitpflege?
In der Zeit, in der ich in Schweden als Trainerin tätig war, starb mein Vater und meine Mutter zog in ein Pflegeheim. Ich konnte sie nur hin und wieder besuchen, weil ich fünf Stunden von ihr entfernt lebte, aber meine Schwestern waren täglich bei ihr, und meine Mutter hatte ein wunderbares Heim gefunden. So oder so höre ich immer wieder viel Gutes über die Mitarbeitenden der Pflege im Alter. Zumindest in Schweden verdienen sie zwar nicht viel, aber sie sind phänomenal und haben die Fähigkeit, mit den Menschen, die sie betreuen, eine echte Verbindung aufzubauen.
Zur Person
Pia Sundhage wurde am 13. Februar 1960 im schwedischen Ulricehamn (S) in eine Grossfamilie mit sechs Kindern geboren. Von klein auf spielte sie Fussball und gab sich zeitweise als Junge «Pelle» aus, weil Mädchen damals nicht an Fussball-Meisterschaften teilnehmen durften.
Als Spielerin war Pia Sundhage unter anderem für die Teams Jitex BK, Östers Växjö, Lazio Rom und Hammarby IF tätig und gewann viermal den schwedischen Meistertitel. Sie spielte 146 Matches für die schwedische Nationalmannschaft, erzielte dabei 71 Tore, nahm an zwei WM-Turnieren sowie an olympischen Spielen teil und wurde 1984 Europameisterin. 1996 beendete sie ihre aktive Karriere und feierte fortan als Trainerin Erfolge: Unter anderem gewann sie die US-Meisterschaft mit den Boston Breakers und zweimal die olympische Goldmedaille mit der US-Frauen-Nationalmannschaft. Mit der schwedischen Frauen-Nationalmannschaft schaffte sie es ins Halbfinale der EM sowie ins Finale der Olympischen Spiele. Nach den Schwedinnen trainierte sie die Brasilianerinnen – und seit Januar 2024 die Schweizerinnen. Vom 2. bis 27. Juli 2025 führt sie die Schweizer «Nati» an die EM in der Schweiz.
Pia Sundhage ist kinderlos, Single und wohnt derzeit in Bolligen BE, wo sie in ihrer Freizeit zum Beispiel gerne joggt oder Gitarre spielt.