«Ich bewundere ganz besonders die tägliche wertvolle Arbeit aller Pflegenden»

Der Bündner Nationalratspräsident Martin Candinas, 42, spricht über sein Jahr als «höchster Schweizer», seine Macken und die Bedeutung der Spitex.

KATHRIN MORF. SPITEX MAGAZIN: Herr Candinas, im «Radio Südostschweiz» sagten Sie kürzlich, dass Sie «als Nationalratspräsident für ein Jahr nicht wirklich Politik machen» dürfen. Wieso bekleiden Sie dieses Amt als Vollblutpolitiker also überhaupt?

MARTIN CANDINAS: Das Amt des Nationalratspräsidenten gehört meines Erachtens zu den attraktivsten politischen Funktionen. Man darf den Rat und damit die Sessionen leiten und die Verantwortung für die Einhaltung der Parlaments- und Tagesordnung tragen. Die Aufgabe – nicht die Person – des Nationalratspräsidenten ist somit von grosser Bedeutung für die Demokratie. Hinzu kommen repräsentative Aufgaben im In- und Ausland und damit Einladungen, die ich ohne dieses Amt nie erhalten hätte. Ich geniesse dieses höchst spannende Jahr und freue mich darauf – in der Hoffnung, im Oktober als Nationalrat wiedergewählt zu werden –, im Anschluss wieder mit Herzblut zu politisieren.

Sie sind nicht nur Politiker, sondern auch Sozialversicherungsfachmann. Gab oder gibt es einen anderen Beruf, von dem Sie einst träumten oder immer noch träumen?

Als Kind war ich fasziniert von der An-, Durch- und Abfahrt der Züge an den Bahnhöfen und wollte darum Bahndisponent werden. Die Faszination Bahnwelt trage ich immer noch in mir. So bin ich aktuell stolzer Präsident der LITRA, des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr. Er hat dazu beigetragen, dass wir heute in der Schweiz ein so fantastisches ÖV-System haben. Durch dieses Engagement geht mein Kindheitstraum also doch noch in Erfüllung.

Verraten Sie uns eine Macke und ein Talent, die trotz ihrer häufigen Medienpräsenz bisher kaum bekannt sind?

Ob man ein Talent hat oder nicht, sollen andere beurteilen. Meine Macke ist sicher, dass ich in gewissen Bereichen ein «Tüpflischiisser» bin und auch sehr direkt sein kann. Ich möchte meine Aufgaben einfach zuverlässig, richtig und pünktlich erledigen. Für mein Umfeld ist dies nicht immer einfach – dafür weiss man aber hoffentlich immer, woran man bei mir ist.

Auch ein Prominenter kann ein Fan sein: Welche bekannte Person würden Sie gern treffen?

Ich bewundere sehr viele Menschen für ihre Arbeit, für ihren Einsatz für die Gesellschaft oder dafür, wie sie mit Schicksalsschlägen umgehen. Die Fan-Kultur ist mir hingegen ein bisschen fremd. In meinem Präsidialjahr würde ich mich aber besonders freuen, Papst Franziskus zu treffen. Seine unkonventionelle und bescheidene Art tut der Welt gut.

Und zuletzt: Wie denken Sie über die Pflege zu Hause?

Die professionelle Pflege zu Hause sowie pflegende Angehörige sind von enormer Bedeutung, weil sie kranken und beeinträchtigten Personen das unabhängige Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen – ein Wunsch, den die meisten Menschen innigst hegen. Die Arbeit der Spitex ist anspruchsvoll und verdient hohe Wertschätzung. Und dazu braucht es eine umfassende Aus- und Weiterbildung sowie eine faire Entlohnung. Durch mein langjähriges Engagement im Stiftungsrat des Alters- und Pflegeheims «Casa sogn Giusep» in Cumpadials GR kenne ich die Herausforderungen und bewundere ganz besonders die tägliche wertvolle Arbeit aller Pflegenden.

INTERVIEW: KATHRIN MORF

Zur Person
Martin Candinas wurde am 20. August 1980 in Ilanz GR geboren. Nach der Matura arbeitete er als Kundenbetreuer bei Helsana, liess sich berufsbegleitend zum Sozialversicherungsfachmann ausbilden und arbeitete sich bis zum ­Filialleiter empor. Wegen seiner politischen Tätig­keit hat er seit 2017 bei Helsana nur noch ein Teilzeitpensum als Account Manager inne. Seine Politkarriere begann 2001 als Gründungsmitglied und Präsident der Jungen CVP (heute: Die Mitte Schweiz) Surselva. Daraufhin wurde er unter anderem in den Grossen Rat des Kantons Graubünden gewählt – und 2011, im Alter von 31 Jahren zum Nationalrat. Am 28.11.2022 erfolgte dann, mit einem Glanzresultat, seine Wahl zum Nationalratspräsidenten 2022/2023. Martin Candinas› Mandate umfassen zum Beispiel das Präsidium der LITRA (Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr) sowie die ­Vizepräsidentschaft der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). Der 42-Jährige ist verheiratet, hat zwei Söhne und eine Tochter und lebt in Chur GR. Er spricht ­Romanisch (Sursilvan), Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch. In seiner Freizeit widmet er sich ­seiner Familie sowie Wanderungen, Velotouren und dem Wintersport.

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