Dialog: Ein Schlüssel für erfolgreiche Mitarbeitendenbindung
Die Herausforderungen und das Arbeitsvolumen in der Spitex nehmen stetig zu und der Fachkräftemangel wird immer spürbarer. Umso wichtiger ist es, Massnahmen zu ergreifen, um die Bindung der Mitarbeitenden stärken. Was der Mitarbeitenden-Bindung wirklich dient, hat Ruth Glatthard von der der Spitex Grauholz BE für ihre Masterarbeit untersucht – und einen Leitfaden für Mitarbeitenden-Gespräche entwickelt.
RUTH GLATTHARD[1]. Mittels einer Literaturrecherche im Rahmen der Masterarbeit an der Berner Fachhochschule (BFH) mit dem Titel «Förderung der Mitarbeitenden-Bindung durch Dialog» wurden diejenigen Faktoren identifiziert, welche die Mitarbeitenden-Bindung positiv beeinflussen. Es zeigte sich, dass Mitarbeitende, die sich wertgeschätzt und emotional gebunden fühlen, länger im Unternehmen bleiben und motivierter arbeiten. Dies hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Qualität der Pflege, sondern auch auf die Effizienz und das Betriebsklima innerhalb der Organisation. Zudem wurde der Frage nachgegangen, wie das Mitarbeitenden-Gespräch zur Mitarbeitenden-Bindung genutzt werden kann und was die Literatur zu Beurteilungen allgemein sagt. In halbstrukturierten Interviews mit den Führungskräften der Spitex Grauholz wurden die herausgearbeiteten Erkenntnisse verifiziert.
Was Mitarbeitenden-Bindung genau ist
Mitarbeitenden-Bindung ist ein wechselseitiger Prozess, der nur in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten möglich ist und eine stetige Anpassung sowie eine hohe Flexibilität erfordert, um die Bindung auf Dauer positiv zu gestalten. Mitarbeitenden-Bindung kann nur funktionieren, wenn Mitarbeitende sich frei fühlen, selbst zu entscheiden, ob sie im Unternehmen bleiben möchten oder nicht. Diese Freiheit fördert die Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen[2]. Die Mitarbeitenden-Bindung hängt zudem eng mit der emotionalen Bindung und den Grundbedürfnissen der Menschen zusammen: Menschen möchten sich sicher, wertgeschätzt und zugehörig fühlen, brauchen Handlungs- und Entscheidungsspielraum und streben nach Selbstwirksamkeit und optimaler Herausforderung und Feedback.
Mitarbeitendenbindung ist ein
wechselseitiger Prozess, der nur in
Zusammenarbeit mit allen Beteiligten möglich ist.Ruth Glatthard
Spitex Grauholz
Hier setzt das das Führungskonzept von «Positive Leadership» an. Positive Leadership bedeutet, ein Arbeitsumfeld zu gestalten, in dem Mitarbeitende motiviert ihre Stärken einsetzen und weiterentwickeln, sich in ihrem Tun wertgeschätzt fühlen und sich damit identifizieren. Zudem berücksichtigt Positive Leadership nicht nur die Interessen der Organisation und des Arbeitgebenden, sondern auch die individuellen Bedürfnisse und privaten Interessen der Mitarbeitenden.
Das «PERMA[3]»-Modell, welches der amerikanische Psychologe Martin Seligman als Arbeitsmodell aus Positive Leadership entwickelt hat, unterstützt Führungskräfte dabei, ein Umfeld zu schaffen, das auf Wertschätzung und Vertrauen basiert. PERMA basiert auf:
- Der Förderung positiver Emotionen, welche eine positive Arbeitsatmosphäre fördern.
- Der Förderung des Engagements durch Stärkeorientierung und dem Freiraum, den Weg gemäss seinen Stärken zu wählen. Dies steigert die Motivation.
- Förderlichen Beziehungen, die den Teamgeist und den Selbstwert stärken.
- Sinnhaftigkeit der Arbeit, welche den täglichen Aufgaben einen tieferen Zweck gibt.
- Zielerreichung, die sich positiv auf die Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Autonomie, das persönliche Wachstum und den Optimismus und die Resilienz auswirken.
Der Dialog als positive Alternative zur Beurteilung
Im Dialog entsteht ein Raum, um gemeinsame Sichtweisen zu ergründen, die Stärken und Interessen der Mitarbeitenden zu fördern und wichtige gesamtbetriebliche Erkenntnisse zu gewinnen. Dialoge schaffen eine Balance zwischen Sache und Mensch, sie fördern Empathie und Achtsamkeit und verbinden Sinn und Werte. Ein strukturiertes Dialoggespräch fördert die persönliche, betriebliche und kulturelle Weiterentwicklung und stärkt die Eigenverantwortung.[4]
Ein dialogorientierter Ansatz bietet eine wertvolle Alternative zur traditionellen Beurteilung. Durch einen offenen Dialog auf Augenhöhe können Mitarbeitende und Führungskräfte eine respektvolle und vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Das Interesse und das Akzeptieren der Realität des Gegenübers führt zu einem besseren Verständnis. Der dialogorientierte Ansatz ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre eigenen Bedürfnisse und Anliegen zu äussern und gemeinsam mit ihren Vorgesetzten Lösungen zu entwickeln. Dies trägt nicht nur zur Problemlösung bei, sondern fördert auch das Vertrauen und die Motivation.
Ziel des neuen Leitfadens für Mitarbeitenden-Gespräche
Das angestrebte Qualitätsziel der Masterarbeit war ein neuer physischer Leitfaden für die jährlichen Mitarbeitenden-Gespräche, der die Erkenntnisse aus der Theorie berücksichtigt. Demgemäss basiert der neuentwickelte Leitfaden auf Positive Leadership, ist inhaltlich an dem PERMA-Modell ausgerichtet, hat einen dialogorientierten Ansatz und bietet eine Plattform, um auf Augenhöhe und mit Respekt die Realität des anderen anzunehmen.
Der neu strukturierte Gesprächsleitfaden hat folgende Inhalte:
- Blick zurück: Wertschätzung ausdrücken und die Anerkennung der Leistungen und Bemühungen. Dabei die Stärken erkunden und benennen.
- Blick in die Zukunft: Motivation und Herausforderungen erkunden.
- Lernmöglichkeiten: Erkenntnisse aus dem Rückblick und Lernfelder erkunden. Weiterbildungsmöglichkeiten oder Weiterentwicklung entdecken.
- Bedenken: Identifizieren von Energiefressern oder Problemen, für welche Lösungen gesucht werden müssen.
- Ziele: Ein erreichbares und motivierendes Ziel, spannende Herausforderung
- Veränderungen: Wunsch oder Bedarf an Veränderungen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs oder der Funktion identifizieren. Gibt es Optimierungsbedarf im Team, der Organisation?
- Support: Braucht die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter Unterstützung und wie kann diese erfolgen?
Das Mitarbeitenden-Gespräch erfolgt als offener Dialog. Sowohl Führungskraft als auch Mitarbeitende bereiten sich auf das Gespräch vor, indem sie Stichworte zu den Themen notieren, die als Startpunkt zum Dialog dienen. Die Verschriftlichung wird minimal gehalten, um den Fokus auf das Gespräch selbst zu legen. Dies fördert eine offene und ehrliche Kommunikation ohne den Druck einer ausführlichen Dokumentation.
Fazit der Masterarbeit
Die Bindung von Mitarbeitenden ist ein komplexer, aber entscheidender Faktor für den Erfolg jeder Spitex-Organisation. Durch die Berücksichtigung der Grundbedürfnisse der Mitarbeitenden und die Anwendung des PERMA-Modells kann eine starke emotionale Bindung aufgebaut werden, die zur Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden beiträgt. Innerhalb der Mitarbeitenden-Gespräche erfolgt im Dialog ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ziel, die Mitarbeitenden-Bindung zu fördern, um ein unterstützendes, motivierendes Arbeitsumfeld zu schaffen.
[1] Ruth Glatthard ist in der Spitex Grauholz BE als Führungskraft eines 40-köpfigen Teams sowie in einer Querschnittfunktion als Qualitätsverantwortliche und stv. Geschäftsleitung im Bereich Dienstleistungen tätig. Dieser Bericht ist eine Zusammenfassung der Erkenntnisse ihrer Mitte Juni 2024 eingereichten Masterarbeit «Förderung der Mitarbeitenden-Bindung durch Dialog» an der Berner Fachhochschule (BFH) zur Erlangung eines Executive Master of Business and Administration (EMBA) in Leadership und Management.
[2] Die Aussagen in diesem Abschnitt beziehen sich auf: Loffing, Dina; Loffing, Christian (2010): «Mitarbeiterbindung ist lernbar». Springer Verlag.
[3] PERMA setzt sich zusammen aus: Positive Emotionen, Engagement, Relationships (Beziehungen), Meaning (Sinn) und Accomplishment (Zielerreichung).
[4] Die Ausführungen in diesem Abschnitt beziehen sich auf das Buch: Michel, Ursula (2019): «Hierarchie auf Augenhöhe». Erschienen im Trainer Verlag.