Von klein auf in guten Händen

Die Spitex Region Schwyz kümmert sich im Rahmen der Mütter- und Väterberatung um die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft – und um all deren Betreuungs­personen.

BEATRIX BÄCHTOLD. Entwickelt sich mein Baby gut? Was können wir tun, weil es so viel schreit? Und ernähre ich es optimal? Antworten auf diese und viele weitere Fragen rund um Baby, Kleinkind und Familie findet man bei der Mütter- und Väterberatung (MVB) der Spitex. Mancherorts wird diese von Spitex-Basisorganisationen regional angeboten. In den Kantonen Tessin, Freiburg, Nidwalden, Uri, Genf, Waadt und Schwyz ist die MVB hingegen ein kantonales Spitex-Angebot. Die Spitex Region Schwyz bietet ihre MVB auf verschiedene Art und Weise an – so auch im Rahmen des «Würmlitreffs».

Auf der Krabbeldecke versucht der einjährige Kevin einen Purzelbaum zu schlagen, und die gerade einmal sechs Monate alte Chantal hebt das Köpfchen, um dieses Spektakel mitzuverfolgen. Der freiwillige und kostenlose Würmlitreff wird von einem Team aus Eltern organisiert und findet jeden dritten Donnerstag im Monat nachmittags in Steinen SZ in einem kindgerecht gestalteten Raum statt. Das Zielpublikum sind Mamis und Papis mit Kindern, vom Baby bis zum Kindergartenkind; Grosseltern und Geschwister sind ebenfalls willkommen. Seit ungefähr einem halben Jahr ist jeweils Monika Betschart aus Küssnacht am Rigi mit dabei. Die 53-Jährige ist Mütter- und Väterberaterin, verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter im Teenageralter. Im Moment arbeitet sie in einem 45-Prozent-Pensum bei der Spitex Region Schwyz mit insgesamt 64 Mitarbeitenden.

Für die MVB hat die Spitex Region Schwyz ihr Einzugsgebiet in drei «Portionen» auf drei Zuständige feinverteilt. In der MVB-Region Illgau, Muotathal, Ried, Steinen und Steinerberg kennt Monika Betschart jeden Säugling sowie dessen Eltern und sonstige Betreuende – oder zumindest beinahe. Denn hat eine Familie bereits genügend Erfahrung mit Nachwuchs, kann es sein, dass sie die Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt. «Aber das ist sehr selten», sagt Monika Betschart. Denn so viele Kinder man auch im Haus haben möge, jedes einzelne sei einzigartig und habe seine individuellen Bedürfnisse. Zudem hätten sich die Erkenntnisse und Möglichkeiten in den vergangenen Jahren laufend geändert und optimiert. Doch zurück in den Würmlitreff.

Die Mütter- und Väterberatung der Spitex Region Schwyz ist neu auch beim «Würmlitreff» für Eltern und Kinder mit dabei. Bilder: Spitex Region Schwyz

Eine nachhaltige Arbeit
Im Raum duftet es nach Rüeblitorte und Kaffee. Die Türe geht auf und eine Mutter mit ihrem Baby kommt herein. Tim heisst der Kleine, der den anderen Kindern freudig zuwinkt. Nach der kontaktarmen Coronazeit hat der Würmlitreff Hochkonjunktur. Das Bedürfnis, sich persönlich zu sehen und auszutauschen, scheint besonders gross zu sein. Tims Mutter kommt spontan vorbei, schliesslich ist der Würmlitreff, genauso wie die offizielle MVB, niederschwellig – und äusserst individuell.

Monika Betschart hat Kinder schon immer gemocht. Deshalb erlernte sie den Beruf Kinderpflegerin und Kinderkrankenschwester, wie das damals hiess. Fertig ausgebildet, arbeitete sie sechs Jahre lang auf der Geburtenabteilung des Spitals Schwyz. Die Weiterbildungen, die sie absolvierte, drehten sich ebenfalls stets um Themen wie Babys und Eltern. Ihre Arbeit im Spital beschreibt sie als erfüllend, aber ihr Wunsch, die Familien auch nach deren kurzem Spitalaufenthalt zu begleiten, wurde immer stärker. Als dann in der MVB in Zug eine Stelle frei wurde, reichte sie ihre Bewerbung ein. Sie erhielt die Zusage und erlangte berufsbegleitend das höhere Fachdiplom Mütter- und Väterberaterin am Careum in Zürich. «Das war eine anspruchsvolle Zeit. Weil ich damals noch keine Familie hatte, konnte ich diese Herausforderung aber meistern», sagt sie rückblickend.

Extrem schön finde ich es,
wenn Eltern durch meine
Beratung ihre Selbstzweifel
ablegen und auf ihr
ureigenes Bauchgefühl
vertrauen.

MONIKA BETSCHART

Mütter- und Väterberaterin, Spitex Region Schwyz

Während Tim zaghaft hinüber zu den anderen Kindern krabbelt, erzählt Monika Betschart, dass sie 2007 als Mütter- und Väterberaterin bei der Spitex Region Schwyz zu arbeiten begann. «Die MVB als zusätzliches Beratungsangebot passt ins Bild der Nonprofit-Spitex. Wie bei der Pflege unserer älteren Klientinnen und Klienten, treffen wir auch die Kinder in ihrer vertrauten Umgebung und im Kreise ihrer Bezugspersonen an. Um gute Lösungen zu finden und optimal zu beraten, ist es wichtig, auch Eltern und Geschwister einzubeziehen», erklärt sie. Wird Monika Betschart gefragt, welche Situationen sie in der Beratung als besonders beglückend empfindet, sagt sie: «Extrem schön finde ich es, wenn Eltern durch meine Beratung ihre Selbstzweifel ablegen und auf ihr ureigenes Bauchgefühl vertrauen.»

Einige Zahlen und Fakten
Immer neue medizinische und sonstige Erkenntnisse bedingen verbindliche Standards. Dafür, dass die MVB-Verantwortlichen im ganzen Land am gleichen Strang ziehen, sorgt der Schweizerische Fachverband Mütter- und Väterberatung (vgl. Infokasten). Früher hiess das Angebot «Mütterberatung», heute betreut Monika Betschart auch häufig Väter, Patchworkfamilien oder Grosseltern, die sich um die Kinder kümmern, während die Eltern arbeiten. Zunehmend sind es auch besonders belastete Familien wie solche mit Migrationshintergrund, zu deren Beratung ein Dolmetscher zugezogen wird. Das Mitwirken der Beraterin am Würmlitreff ergänzt die Spitex-eigenen Angebote der Hausbesuche, die regelmässig Beratungstermine in verschiedenen Lokalitäten und den Eltern-Kind-Treff in Schwyz und Brunnen. Dieser findet einmal im Monat unter der Abkürzung ELKI statt. Neben der Mütter- und Väterberaterin der Spitex ist am ELKI auch immer eine Erziehungsberaterin vor Ort. 2021 hat die Spitex Region Schwyz 304 Hausbesuche absolviert, 921 persönliche Beratungen durchgeführt sowie 1678-mal telefonisch und 1273-mal per Mail- oder Kurznachricht beraten. Wie in anderen Kantonen ist die MVB in der Region Schwyz ein kostenloses Angebot, finanziert durch die Wohngemeinde. Die Spitex erhebt zulasten der Eltern oder sonstigen Bezugspersonen lediglich eine einmalige Gebühr von 30 Franken.

Der MVB-Fachverband
Der Schweizerische Fachverband Mütter- und Väterberatung (SF MVB) vereint Fachpersonen und Organisationen unter einem Dach. Er setzt sich für nachhaltig wirkende Gesundheitsförderung und Prävention in der frühen Kindheit ein. Gemeinsam mit den Mitgliedern engagiert er sich für die Qualität und Professionalität in der Mütter- und Väterberatung (MVB). Zu ­diesem Zweck erhebt der Verband regelmässig Daten zu den MVB-Anbietenden. Die neusten Zahlen dieser nationalen Statistik zeigen, dass 2022 bei rund einem Viertel der beteiligten ­Beratungsstellen die Spitex als Trägerschaft fungierte – insbesondere in der lateinischen Schweiz ist diese Form vorherrschend. Die Umfrage, die auch Aufschluss über personelle ­Ressourcen, Finanzierung, Beratungsangebot, Qualitätssicherung und Vernetzung gibt, findet man online unter www.sf-mvb.ch. Dort wird auch eine Beratungsstellen-Suche mithilfe der Postleitzahl angeboten.

MVB ist eine gute Investition
Monika Betschart ist mit der Situation der MVB zufrieden, sieht aber durchaus Verbesserungspotenzial. «Mein Wunsch wäre es, die aufsuchende Beratung der Familien auszubauen», sagt sie. «Eine Beratung für vulnerable Familien über einen längeren Zeitraum wäre genial, ist bei uns aber Zukunftsmusik. Sie scheitert, wie so oft, am Finanziellen. Dabei ist heute erwiesen, dass man im Endeffekt Gesundheitskosten spart, wenn man in den Frühbereich investiert.»

Um für ihre anspruchsvolle Aufgabe auf dem Laufenden zu bleiben, bildet sich Monika Betschart regelmässig fort. Kürzlich absolvierte sie beispielsweise eine Weiterbildung zu den Themen «Traumatisierte, geflüchtete Kinder» sowie «Vegetarische Ernährung bei Kindern» und befasste sich vertieft mit dem Gebiet «Depressionen und Familie». «Nebst den Weiterbildungen sind die gute Vernetzung zur Ärzteschaft und zu den Behörden sowie die Kontakte im sozialen Bereich sehr wichtig für unsere Arbeit. Auch die Eltern schätzen dies», sagt sie.

Dann spricht Monika Betschart mit Tim und dessen Mutter, die sie kurz nach Tims Geburt kennenlernte und auch schon zu Hause besucht hat. Hätte die Mutter jetzt noch Fragen bezüglich Ernährung oder Durchschlafen, könnte sie Monika Betschart im Würmlitreff zu Rate ziehen. Aber offenbar ist das nicht nötig. «Sie haben mich damals im Umgang mit meinem unruhigen Baby gut beraten. Daraufhin hat sich die schwierige Situation schnell entspannt», sagt die Mutter lächelnd. «Ich erinnere mich gut», antwortet Monika Betschart. «Es geschieht häufig, dass ich Familien treffe, die noch nach Jahren genau wissen, was ich beim ersten Hausbesuch gesagt habe», erzählt die Beraterin dann. «Wir sind immer wieder beeindruckt vom grossen Vertrauen und der Offenheit der Eltern uns gegenüber.»

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