SPOTnat: Ergebnisse zu Arbeitsumgebung, Qualität und Koordination
Die grundlegenden Erkenntnisse der Studie SPOTnat der Universität Basel wurden im «Spitex Magazin» bereits vorgestellt (vgl. Ausgabe 4/2023). Die nationale Studie liefert indes auch vertiefte Erkenntnisse zur Arbeitsumgebung, Qualität und Koordination bei der Spitex – und ein neues Modell für Koordination.
NATHALIE MÖCKLI, TANIA MARTINS, FRANZISKA ZÚÑIGA. Die Studie SPOTnat hat spannende Ergebnisse zum Thema «Qualität der Arbeitsumgebung» ergeben, welche angesichts des zunehmenden Mangels an Pflegepersonal eine immer zentralere Rolle bei der Spitex einnimmt:
- Führung: Die grosse Mehrheit der befragten Spitex-Mitarbeitenden fühlt sich von den Vorgesetzten unterstützt. Die Vorgesetzten werden als kompetent wahrgenommen und Fehler werden mehrheitlich zum Lernen und nicht zum Kritisieren genutzt. Dass sie Lob und Anerkennung für eine gute Arbeitsleistung erhalten, bestätigten mit 81 % deutlich weniger Mitarbeitende als in den anderen Bereichen.
- Vorhersehbarkeit der Arbeit: Über die Hälfte der Spitex-Mitarbeitenden stimmte «in hohem Masse» zu, rechtzeitig im Voraus über Veränderungen am Arbeitsplatz wie strategische Entscheide informiert zu werden. Jede zehnte befragte Person wird nicht rechtzeitig informiert. In Bezug auf den Informationsfluss gab die Mehrheit (68 %) an, dass sie alle Informationen erhalte, um ihre Arbeit mit guter Qualität zu erledigen.
- Unterstützung und Feedback: Im Hinblick auf die Unterstützung durch Vorgesetzte gab mehr als die Hälfte an, diese «immer» oder «oft» zu erhalten. Sogar über 77 % gaben an, «oft» oder «immer»Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen zu erhalten. Auch die Atmosphäre in den Teams wurde mehrheitlich positiv bewertet. Deutlich weniger oft wird mit Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen über die Qualität der Arbeit gesprochen: Nur rund jede dritte Person tut dies mindestens «oft».
- Rollenklarheit und Rollenkonflikte: Ein klares Verständnis der eigenen Rolle ist für eine gute Zusammenarbeit wichtig. Mehr als drei Viertel der Mitarbeitenden bestätigten, dass die Ziele für ihre Arbeit klar sind. Über 80 % gaben an, genau zu wissen, was in ihren Verantwortungsbereich fällt. In Bezug auf Rollenkonflikte zeigte sich aber: An jede zehnte Person werden oft widersprüchliche Anforderungen bei der Arbeit gestellt. Ein Drittel muss mindestens teilweise Dinge tun, die auf andere Weise getan werden sollten. Und rund jede fünfte Person muss manchmal Dinge tun, die nicht in ihrem Kompetenzbereich liegen.
In den Gesprächen mit den teilnehmenden Spitex-Organisationen wurden Ideen entwickelt, wie Feedback und Wertschätzung bei der Spitex gefördert werden könnten: In Workshops könnte ein gemeinsames Verständnis von Wertschätzung entwickelt werden. Leitungspersonen könnten Feedback-Sprechstunden für ihre Mitarbeitenden fest einplanen. Und verbindliche Fallbesprechungen könnten als fester Bestandteil der Arbeitsabläufe etabliert werden.
Themen «Qualität der Pflege und Betreuung» und «Koordination»
Auch zum Thema «Pflege- und Betreuungsqualität der Spitex» ergab SPOTnat hohe Bewertungen:
- 45 % der Spitex-Mitarbeitenden bewerteten die Qualität als «sehr gut» und 53 % als «eher gut». Die Kontinuität wurde mit über 84 % ebenfalls als «sehr gut» oder «eher gut» eingeschätzt.
- Auch die Klientinnen und Klienten sowie ihre Angehörigen schätzten die Qualität auf einer Skala von 0 bis 10 mit einem Median von jeweils 9 als sehr hoch ein; 75 % gaben jeweils einen Wert zwischen 8 und 10 an.
Mit der zunehmenden Komplexität der Versorgung von Klientinnen und Klienten der Spitex nimmt die Koordination innerhalb der Spitex-Teams und mit anderen Leistungserbringern einen immer höheren Stellenwert ein. Eine schlecht geplante und fragmentierte Versorgung gefährdet die Gesundheit der Klientinnen und Klienten und erhöht den Bedarf nach Gesundheitsdienstleistungen. Darum wurde im Rahmen von SPOTnat auch das Thema «Koordination» untersucht:
- Spitex-Mitarbeitende: Obwohl die Mehrheit der Spitex-Mitarbeitenden (93 %) «häufig» oder «sehr häufig» zum richtigen Zeitpunkt relevante Informationen durch Kolleginnen und Kollegen erhält, erhalten deutlich weniger (68 %) relevante Informationen zum richtigen Zeitpunkt von externen Fachpersonen. Darüber hinaus gaben 78 % der Mitarbeitenden an, dass sie «manchmal» bis «sehr häufig» Informationen von Klientinnen und Klienten oder Angehörigen erhalten, die eigentlich durch eine Fachperson hätten weitergeleitet werden sollen. Rund zwei Drittel der Mitarbeitenden sind jedoch der Ansicht, dass die Abstimmung der Aktivitäten «häufig» gut ist, und rund die Hälfte, dass Überschneidungen «selten» bis «nie / fast nie» vorkommen. Rund die Hälfte der Mitarbeitenden gab an, dass «manchmal» bis «häufig» Koordinationslücken auftreten. Besonders grosse Lücken sind in zwei Bereichen ersichtlich: Jede fünfte Person gab an, dass sie «häufig» bis «sehr häufig» von anderen Leistungserbringern nicht genügend informiert wird über den Zustand eines Klienten oder einer Klientin. Sogar jede vierte Person rapportierte, «häufig» bis «sehr häufig» nicht genügend Zeit zu haben, um kritische Klientensituationen mit anderen Leistungserbringern zu besprechen.
- Klientinnen und Klienten: Rund 12 % der Klientinnen und Klienten gaben an, dass es Zeiten gab, in denen ihnen widersprüchliche Dinge erzählt wurden und/oder verschiedene Fachpersonen nicht gut zusammenarbeiteten. Ein Zehntel gab sogar an, dass es vorkam, dass die verschiedenen Fachpersonen nicht wussten, wer was in der Pflege und Betreuung tun sollte.
Vertiefte Untersuchungen zeigten, dass bei den Spitex-Mitarbeitenden eine höhere Bewertung der Koordination mit einer höheren Bewertung der Betreuungsqualität einherging. Die Klientinnen und Klienten bewerteten bei mehr Koordinationsproblemen auch die Betreuungsqualität tiefer – und je höher sie die Koordinationsprobleme einschätzten, desto mehr Spitalaufenthalte und notfallmässige Arztbesuche rapportierten sie. Es wird deutlich, dass eine gute Koordination wichtig ist für eine gute Qualität und dass im Spitex-Bereich noch Optimierungspotenzial vorhanden ist.
Für eine erfolgreiche Koordination sind alle Ebenen gefragt. Das Konzept der Koordination wird jedoch unterschiedlich verstanden, was es erschwert, Massnahmen zur Verbesserung der Koordination zu treffen. Ein gemeinsames Verständnis ist daher von grosser Bedeutung. Um dies zu erreichen, hat das SPOTnat-Forschungsteam ein theoretisches Modell geschaffen, das die Koordination und die darin enthaltenen Elemente erklärt: Das «COORA-Modell» (care COORdinAtion) enthält folgende Aspekte (vgl. Abbildung des vereinfachten Modells):
- Das Modell unterscheidet klar zwischen Koordination als Prozess was Personen also tun, um zu koordinieren – und Koordination als Ergebnis – also dem Zustand beziehungsweise wie gut die
Koordination schlussendlich gelingt. - Beim Koordinationsprozess wird zudem zwischen expliziten und impliziten Koordinationsmechanismen unterschieden. Explizite Koordinationsmechanismen sind Elemente, die bewusst und absichtlich benutzt werden, um eine Arbeit oder Aufgabe zu koordinieren – zum Beispiel geplante Team-Meetings und Fallbesprechungen, Leitlinien und Rollenbeschreibungen sowie alle Arten der Kommunikation. Implizite Koordinationsmechanismen entstehen mit der Zeit durch das Zusammenarbeiten mit den verschiedenen Personen und Gruppen und kommen meist unbewusst zur Anwendung. Beispiele hierfür sind gegenseitige Wertschätzung, Respekt und Vertrauen, das Wissen über die einzelnen Personen und Ressourcen sowie das ganze System, gemeinsame Ziele oder auch ein gemeinsames Verständnis dafür, wie die Aufgaben und die Arbeit jedes Individuums zum Ganzen beitragen.
- Das COORA-Modell berücksichtigt auch externe Faktoren sowie Betriebscharakteristika, welchedie Koordination beeinflussen können. Als externe Faktoren gelten Elemente wie die geografische Lage und Ressourcen (z. B. Verfügbarkeit von Fachkräften, Gesetze und Regulationen). Unter Betriebscharakteristika kommen die Eigenschaften der verschiedenen Organisationen zum Tragen(z. B. Grösse, Unternehmenskultur, Art der Tätigkeiten). Wenn zum Beispiel alle Fachpersonen imgleichen Betrieb angestellt und vor Ort sind, herrschen andere Voraussetzungen für die Koordination, als wenn die Fachpersonen überall verteilt sind und sich selten oder nie sehen.
- Eine erfolgreiche Koordination zeichnet sich dadurch aus, dass die Arbeit auf ein bestimmtes Ziel bezogen gut abgestimmt ist. Das heisst, dass die richtigen Aufgaben in der richtigen Reihenfolge von den richtigen Personen zur richtigen Zeit erledigt wurden. Eine erfolgreiche Koordination führt zu besseren Ergebnissen («Outcomes») für die Klientinnen und Klienten und zu besseren ökonomischen Ergebnissen. Das differenzierte COORA-Modell ermöglicht das einheitliche Abbilden von Koordination, um Massnahmen für die Verbesserung von Koordination zu identifizieren und Verbesserungen oder Verschlechterungen der Koordination sichtbar zu machen. Beispielsweise kann mit dem Modell aufgezeigt werden, dass mit der Einführung von Fallbesprechungen im Koordinationsprozess nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, dass die Koordination als Ergebnis verbessert wird.
Mehr Informationen zu SPOTnat, zum Beispiel den Studien-
bericht sowie Details zu Publikationen zur Studie, gibt es auf
https://spotnat.nursing.unibas.ch/publikationen/