«Mein Beruf ist nach wie vor ein faszinierendes Abenteuer»

Heidi Maria Glössner, 79, wird oft als «Grande Dame» des Schweizer Theaters und Films bezeichnet. Im Interview spricht die Bernerin über ihre Projekte, Barack Obama und Dankbarkeit.

KATHRIN MORF. Spitex Magazin: Frau Glössner, Sie sind seit 55 Jahren Schauspielerin. Was treibt Sie mit 79 Jahren noch an, sich auf mehrere Rollen gleichzeitig vorzubereiten?
Heidi Maria Glössner: Eigentlich versuche ich immer, eins nach dem anderen anzugehen. Denn glaubt man, all seine Aufgaben gleichzeitig meistern zu müssen, gerät man in einen unglaublichen Stress – und den will ich vermeiden. Schliesslich mache ich ja alles aus Freude, aus Interesse an den Themen und aus dem Wunsch heraus, mich in total andere Lebensentwürfe hineindenken zu dürfen. Das ist nach wie vor ein faszinierendes Abenteuer! Zurzeit spielen wir im Bündnerland das Theaterstück «Gott», in dem kompetent und spannend das Thema des «assistierten Suizids » von allen Seiten beleuchtet wird, ohne dabei eine Meinung zu verurteilen. Die Proben für mein nächstes Stück «Späte Spiele» beginnen erst im Januar. So habe ich Zeit, mich intensiv auf die Dreharbeiten des «Tatorts » zu konzentrieren, in dem ich eine kleine, aber spannende Rolle spiele.

Sie sagten 2018 zu «reformiert.ch», dass Sie für vieles dankbar sind, zum Beispiel für Ihre Familie – und die Schauspielerei. Gibt es keinen anderen Beruf, von dem Sie träumten oder träumen?
Ich habe wirklich Grund, für mein Leben dankbar zu sein. So bin ich auch heute noch total glücklich mit meinem Beruf und wünsche mir keinen anderen. Als kleines Mädchen und bis in meine Teenager-Jahre hinein war allerdings Ballett-Tänzerin mein Traumberuf. Denn Emotionen nicht mit der Stimme, sondern mit dem ganzen Körper tänzerisch auszudrücken, hielt ich für das Grösste. Es gab aber keine Ballettschule in der Nähe. Heute denke ich: Gott sei Dank hat dies nicht geklappt. Denn ansonsten stünde ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Bühne.

Verraten Sie uns eine Macke und ein Talent, die kaum bekannt sind?
Uff, dazu fällt mir gar nichts ein! Vielleicht bin ich zu wenig selbstkritisch in Bezug auf die Macke – und zu unbegabt, was die weiteren Talente betrifft.

Gibt es eine bekannte Person, welche Sie gern einmal treffen würden?
Ich verfolge seit Jahrzehnten die amerikanische Politik, weil ich durch familiäre Bande jedes Jahr in die USA reise. Während seiner Präsidentschaft hätte ich gerne Barack Obama getroffen, in dessen jugendlichen Enthusiasmus, Offenheit, Intelligenz und charismatische Ausstrahlung die ganze Welt so viel Hoffnung setzte. Und der dann durch die Hürden der parlamentarischen Tagespolitik so viele Rückschläge hinnehmen musste – der aber trotzdem irgendwie nie seinen Elan verloren hat.

Und zum Schluss: Was sind Ihre Erfahrungen mit der Spitex?
Eine Bekannte wird jeden Tag von der Spitex besucht, und sie ist des Lobes voll. Sie werde sehr liebevoll und kompetent betreut. Persönlich habe ich noch keine Erfahrungen mit der Spitex gemacht. Ich würde aber nie zögern, sie um Hilfe zu bitten, sollte dies eines Tages nötig sein.

Zur Person
Heidi Maria Glössner wurde am 20. Oktober 1943 in Messkirch (D) geboren. Auf der Flucht vor dem Krieg kam sie 1944 zu einer Freundin ihrer Mutter nach Niederuzwil (SG), wo sie aufwuchs. Nach dem Gymnasium besuchte sie die Schauspielschule Zürich. Jahrelang gehörte sie zum festen Ensemble der Stadttheater Bern und Luzern und trat auf vielen weiteren Bühnen auf, zum Beispiel mit einer Hauptrolle in «Meisterklasse», «Maria Stuart» und «Marlene». Sie sang auch in Musicals und spielte in zahlreichen TV-Produktionen und Filmen mit, zum Beispiel im Erfolgsfilm «Die Herbstzeitlosen» (2006) und zuletzt im Kinofilm «Lost in Paradise» (2022). Unter anderem erhielt sie 2016 den «Prix Walo» als beste Schauspielerin sowie 2017 den Armin Ziegler-Preis für ihr Lebenswerk. Die 79-Jährige hat einen Sohn und zwei Enkelkinder und lebt mit ihren Katzen Wanda und Chilli in Bern, wohin sie vor 35 Jahren zog. Sie ist in einer festen Partnerschaft, fährt gern Elektrovelo und verbringt Zeit mit Freunden und Familie. Bald wird Heidi Maria Glössner in der TV-Serie «Tatort» zu sehen sein. Derzeit spielt sie eine Sterbewillige im Theaterstück «Gott», das vom Spitex Verband Graubünden unterstützt wird (www.gott-theater.ch; letzte Vorstellung am 29. Januar 2023 in St. Moritz). Am 15. Januar 2023 führt sie durch die Neujahrsgala im Casino Bern (www.casinobern.ch). Und ab 18. Februar 2023 wird sie im Berner Theater an der Effingerstrasse in «Späte Spiele» (www.theatereffinger.ch) sowie ab 13. April 2023 im Stadttheater Bern in «Grand Horizons» zu sehen sein (www.buehnenbern.ch).

Weitere Artikel

Buch-Tipp: Das Leben mit neuer Lunge

RED. Im Buch «Zurück ins Leben» schreibt Mónica Laganà-Coelho aus Oftringen AG ü...

Die Neuwahlen haben die DV geprägt

Die Delegiertenversammlung von Spitex Schweiz stand im Zeichen der (Wieder-)Wahl...

Von der Kommunikations­trainerin, die fast erblindete

Andrea Schläfli aus Winterthur ZH lehrt Spitex-­Mitarbeitende, wie sie heraus­fo...