Ein Betriebsmodell aus vier Teammodellen

Spitex Zürich führt im Februar 2024 ein einheitliches Betriebsmodell ein, das auf Uneinheitlichkeit setzt: Jedes Team arbeitet nach einem von vier Teammodellen – von assistiert bis autonom.

KATHRIN MORF. Im Sommer 2022 wurde aus der Spitex
Zürich Limmat und der Spitex Zürich Sihl eine einzige Spitex-Organisation: Spitex Zürich mit 1500 Mitarbeitenden und 10 000 Klientinnen und Klienten. Seither warteten Beobachter mit Spannung auf den Entscheid, welches Betriebs­modell für die Organisation eingeführt würde. «Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat von Spitex Zürich mussten eine einheitliche Lösung anpeilen, welche den beiden bisherigen, unterschiedlichen Kulturen und Modellen gleichermassen Rechnung trägt», sagt Markus Reck, CEO von Spitex Zürich. Denn die Teams der ehemaligen Spitex Zürich Limmat sind bis heute selbstorganisiert, während die Teams der ehemaligen Spitex Zürich Sihl ihren Team-Coaches und dem Support mehr Aufgaben überlassen. Die Führungspersonen von Spitex Zürich waren sich einig, dass es nur einen Weg zu einem von allen Mitarbeitenden akzeptierten Betriebsmodell gab: Ebendiese Mitarbeitenden müssen das Modell nach dem Motto «1 + 1 = 3» mitgestalten dürfen. 

Im Frühherbst 2022 begann die Arbeit an der Zukunft von Spitex Zürich als strukturierter Prozess, der von der Implement Consulting Group aus Zürich begleitet wird. «Um alle Mitarbeitenden von diesem Prozess zu überzeugen, mussten wir erreichen, dass sie der neuen Geschäftsleitung vertrauen und sich voller Offenheit auf Gespräche über die Zukunft einlassen. Und dieses Ziel verfolgen wir seither mit viel Kommunikation und einem intensiven Austausch – zum Beispiel während Info-Lunches mit jeweils zwei Geschäftsleitungsmitgliedern in den Standorten, über die App Beekeeper oder durch Change-Eye-Umfragen[ 1]», zählt der CEO auf. Zudem trafen sich bisher zweimal 120 Vertreterinnen und Vertreter aller Teams sowie Coaches zum «Spitex Zürich Dialog» und diskutierten, welche Aufgaben die Teams künftig übernehmen sollen. 

Moderiert wurden diese Diskussionen von sogenannten «Change Ambassadors» (auf Deutsch: «Botschafterinnen und Botschaftern für den Wandel») aus den Reihen der Mitarbeitenden. «Die Rolle als Change Ambassador gefällt mir sehr, weil ich mich dadurch intensiv mit vielen verschiedenen Menschen austauschen kann. Und weil ich dafür sorgen kann, dass die Mit­arbeitenden in den Veränderungsprozess eingebunden werden», sagt Greta Gschwend, Pflegefachfrau HF und eine von 70 Change Ambassadors. «Wir bringen eine grosse Vielfalt an Wissen, Erfahrung und Zukunftsvisionen in den Prozess ein. Und wir bearbeiten die Anliegen aller Mitarbeitenden während Workshops. Dieses Vorgehen hat den Zusammenhalt gestärkt und Vertrauen für neue Wege geschaffen.»

Das neue Betriebsmodell kristallisiert sich heraus
Rund 90 operative Teams mit je zehn bis zwölf Mitgliedern zählt Spitex Zürich derzeit. Diese Teams kümmern sich um die Pflege im Allgemeinen, um Spezialdienstleistungen wie Palliative Care oder auch um die Hauswirtschaft und Betreuung. «Im Laufe des Prozesses zeigte sich, dass die operativen Teams unterschiedlich viele Zusatzaufgaben übernehmen möchten», berichtet Markus Reck. Darum verabschiedeten die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat im Sommer 2023 ein Betriebsmodell, das auf vier Teammodelle setzt: Diese bewegen sich von «assistiert» bis zu «autonom» und geben laut Markus Reck einen «klar definierten und verbindlichen Rahmen vor, welcher den Handlungs- und Entscheidungsspielraum jedes Teams definiert». 

Je assistierter ein Team ist, desto mehr Zusatzaufgaben werden vom Support und einem Coach-Trio übernommen. Die Support-Teams – dazu gehören zum Beispiel IT, Finanzen oder auch das Marketing – übernehmen für jedes Team mindestens den «Support nach Standard». Dieser umfasst unter anderem die Aufgaben rund um Infrastruktur, Mobilität und Technologie. Das Coach-Trio, welches jedes Team begleitet, besteht jeweils aus einem Team-Coach, einem Fach-Coach und einem HR-Coach. «Dieses Trio ist für jedes Team stets dasselbe, damit sich ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Dies trägt zur Stabilität und Kontinuität der Teams bei, was eines unserer wichtigen Ziele ist», so Markus Reck.

Eine vereinfachte Darstellung der künftigen Teammodelle. «On- und Offboarding» meint das Eintritts- und Austrittsmanagement, «Kultur und Zusammenarbeit»
bezieht sich auf die Teamkultur und die Zusammenarbeit im Team, und «KVP»
steht für «Kontinuierlicher Verbesserungsprozess». Illustration: Spitex Zürich

Details zu den vier Teammodellen
Je nach Modell wird jedem operativen Team von Spitex Zürich eine Farbe zugeordnet:

  • Violett: Die Mitarbeitenden sind vor allem im Kerngeschäft der Pflege und Hilfe zu Hause tätig. Sie haben keine gemeinsame Kundenverantwortung und ihre Begleitung durch das Coach-Trio und den Support ist umfassend. Von den möglichen Teamaufgaben, welche Spitex Zürich definiert hat, übernehmen sie nur einige wenige optional, beispielsweise die Einsatzplanung oder die Dienst- und Ferienplanung.
  • Blau: Diese Teams haben eine gemeinsame Kundenverantwortung und Teammitglieder übernehmen in Absprache mit dem Coach-Trio einige Teamaufgaben. Sicher dazu gehören die Leitung der Teamsitzungen sowie die gemeinsame Arbeit an Teamkultur und Zusammenarbeit. Das Modell Blau ist das flexibelste der vier Modelle, weil viele Teamaufgaben optional sind. Das Coach-Trio und der Support leisten, was vom Team nicht übernommen wird.
  • Grün: Diese Teams organisieren zusätzlich zu den Aufgaben der blauen Teams das Kerngeschäft und führen sich selbst. Das Coach-Trio begleitet und unterstützt nach Bedarf und der Support erfolgt «gemäss Standard». Pflicht-Teamaufgaben sind hier zum Beispiel die Dienst- und Ferienplanung, die Einsatzplanung und das Thema Qualität /kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP).
  • Orange: Diese Teams übernehmen zusätzliche Verantwortung für die Entwicklung des Teams und vereinbaren diesbezüglich Ziele mit dem Management. Sie organisieren sich zudem autonom. Die Mitglieder des Coach-Trios agieren vor allem als Mentoren und unterstütze bei Bedarf. Auch hier erfolgt der Support gemäss Standard. Die Team­aufgaben reichen von der Sitzungsleitung und Dienst- und Ferienplanung über die Einsatzplanung und Rekrutierung bis hin zum Networking.

    Das neue Betriebsmodell ist laut Markus Reck eine Lösung, welche die Wünsche der Mitarbeitenden auf pragmatische Art und Weise erfüllt und eine verbesserte Ressourcenallokation beim Fachpersonal in allen Bereichen schafft. «Zuallererst dürfen sich unsere Teams darauf konzentrieren, ihre Kernaufgabe mit hoher Qualität zu erfüllen: die Pflege und Hilfe zu Hause. Nur wenn sie Ressourcen für zusätzliche Aufgaben haben und Freude daran, können sie diese als Team wahrnehmen», erklärt er. «Die vier Teammodelle sind gleichwertig. Indem die Teams ihr Modell selbst bestimmen dürfen, befreien wir sie vom Druck, einem bestimmten einheitlichen Modell genügen zu müssen», erklärt er.

Indem die Teams ihr Modell selbst bestimmen dürfen, befreien wir sie vom Druck, einem
bestimmten einheitlichen Modell genügen zu müssen.

Markus Reck

CEO Spitex Zürich

Das Vorgehen für die Farbfindung
Am 5. Februar 2024 ist das «Go-Live» für das neue Betriebsmodell geplant. Bis dahin gilt es einige offene Fragen zu klären. Beispielsweise hängt die Antwort auf die Frage, wie viele Team-, Fach- und HR-Coaches benötigt werden, stark davon ab, welche Teammodelle wie oft vereinbart werden. Welche Farbe jedes Team erhält, wird bis Dezember 2023 festgelegt. Der Wunsch der Teams ist dabei zentral. «Aber auch das Coach-Trio nimmt eine Einschätzung vor. Stimmt diese nicht mit dem Wunsch des Teams überein, müssen der Team-Coach und das Team dies ausdiskutieren», erklärt Markus Reck. 

Im September 2024 wird ausgewertet, ob die Zuteilung der Farben sich bewährt hat, und ab 2025 soll sich die Situation grundsätzlich stabilisieren. Doch was passiert, wenn ein Team zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Farbe wünscht? «Fallen zum Beispiel Teammitglieder aus, muss das Team deswegen nicht sofort die Farbe wechseln. Es kann durch das Coach-Trio und den Support auch temporär stärker unterstützt werden», sagt Markus Reck. «Möchte ein Team nach Absprache mit dem Coach-Trio mehr oder weniger Aufgaben übernehmen und die Farbe damit fix wechseln, ist das möglich. Und wünscht nur ein Teammitglied mehr oder weniger Autonomie, kann diese Person neu das Team wechseln statt den Arbeitgeber.» Das Modell wird Spitex Zürich laut dem CEO auch bei der Suche nach rarem Fachpersonal zugutekommen. «Wir können Fachkräften sehr unterschiedlich autonome Arbeitsumfelder und Teamsituationen anbieten und offerieren damit eine attraktive Flexibilität im Arbeitsmarkt», erklärt er. 

Und wie ist die Bilanz von Change Ambassador Greta Gschwend? «Das neue Betriebsmodell ermöglicht Spitex Zürich, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen und Support dort zu bieten, wo er gewünscht und gebraucht wird», sagt die Pflegefachfrau. «Für jede Berufsgruppe wird diese Veränderung eine spannende Herausforderung sein, die ein attraktives Arbeitsumfeld schafft und Entwicklungsmöglichkeiten bietet.»

Auch wenn das neue Betriebsmodell genauso herausfordernd wie innovativ scheint, zweifelt Markus Reck nicht an dessen erfolgreicher Umsetzung. «Schliesslich ist das Modell nicht nur mit den Mitarbeitenden gestaltet worden – auch der Verwaltungsrat von Spitex Zürich und die Stadt Zürich stehen voll und ganz dahinter», sagt er.

[1]Siehe www.changeeye.ch. Das «Change Eye» ist ein Umfragetool, mit dem die von einer Veränderung betroffenen Mitarbeitenden und Führungskräfte befragt werden, wie sie zu dem Change-Vorhaben stehen. Denn: Sie müssen im Boot sein, damit die Veränderung erfolgreich realisiert werden kann.

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