«Die Generation Z ist stark auf die Work-Life-Balance bedacht»

Die «Generation Z» sei faul, lautet eines von vielen Vorurteilen über die jungen Arbeitnehmenden von heute. Die HF-Studierende Angela Schütz (22) und die FaGe Pascale Baumgartner (24) von der Spitex Aare SO gehen auf solche Behauptungen ein.

Pascale Baumgartner (links) und Angela Schütz gehören zur «Generation Z» – und zur Spitex Aare; hier in deren Einzugsgebiet mit Blick auf den Jura. Foto: Kathrin Morf

SPITEX MAGAZIN: Frau Schütz und Frau Baumgartner, Sie sind zwischen 1995 und 2010 geboren und gehören damit zur «Generation Z». Wie würden Sie die zentralsten Eigenschaften und Interessen umreissen, welche die 13- bis 28-Jährigen von heute prägen?
ANGELA SCHÜTZ: Wir sind mit digitalen Technologien aufgewachsen, können gut damit umgehen und vor allem unser Handy ist immer mit dabei. Besonders sticht auch heraus, dass sich die Generation Z in allen Lebensbereichen stabile Beziehungen wünscht. Und dass sie stark auf die eigene Gesundheit und darum auch auf die Work-Life-Balance bedacht ist.

PASCALE BAUMGARTNER: Natürlich kann uns die Work-Life-­Balance wichtiger sein als vorherigen Generationen, weil wir im heutigen Arbeitsmarkt die Möglichkeit haben, Flexibilität oder auch Teilzeitpensen einzufordern. Sie ist uns aber auch wichtig, weil wir begriffen haben, dass das Leben heute oder morgen vorbei sein kann.

Nun wollen wir diskutieren, ob vier der kursierenden Behauptungen über die «Generation Z» stimmen. Ich möchte jeweils gerne Ihre Meinung dazu hören und führe dann auf, was die Forschung dazu sagt. Die erste Behauptung: Für die Generation Z steht die Freizeit an erster Stelle und sie fordert diesbezüglich viel Flexibilität vom Arbeitgeber, ohne selbst flexibel zu sein.
PASCALE BAUMGARTNER: Ich will arbeiten und habe grosse Freude an meinem Beruf bei der Spitex. Die Generation Z arbeitet im Allgemeinen gern – sie besteht aber auch darauf, Freizeit zu haben, um Kraft zu tanken für den nächsten Arbeitstag. Für die Generation Z ist also nicht die Freizeit an sich prioritär, sondern eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit.

ANGELA SCHÜTZ: Flexibel ist die Generation Z auch, zumindest bei der Spitex. Unsere Arbeit fordert viel Flexibilität von uns, zum Beispiel bei Krankheitsausfällen im Team. Umso wichtiger ist es, dass auch unser Arbeitgeber flexibel ist und dafür sorgt, dass wir unsere Überstunden kompensieren können. Die Spitex Aare tut dies zum Glück vorbildlich und achtet auch darauf, dass ich genug Zeit für mein HF-Studium habe. Bei der Arbeit sollte immer ein Geben und Nehmen herrschen. Ich ­arbeite zum Beispiel im Juli, wenn viele Mitarbeitende Ferien möchten, und darf dafür drei Wochen Ferien hintereinander nehmen.

PASCALE BAUMGARTNER: Dieses Geben und Nehmen funktioniert bei der Spitex Aare gut. Unter anderem deswegen, weil wir ein sehr stabiles Team mit einer familiären Atmosphäre sind. Ich liebe es, wie sich alle Mitglieder des Teams gegenseitig unterstützen und dass dabei kaum Hierarchien spürbar sind.

ANGELA SCHÜTZ: Die Machtpositionen, die durch strenge Hierarchien geschaffen werden, kann die Generation Z nicht ausstehen. Anders als zum Beispiel in vielen Spitälern arbeiten wir bei der Spitex Aare alle auf Augenhöhe und lernen gegenseitig voneinander.

Die zweite Behauptung: Die Generation Z ist fauler als vorherige Generationen. Sie wollen im Beruf nicht viel leisten und keine Verantwor-
tung übernehmen, und sie bleiben bei jedem «Wehwehchen» zu Hause.

PASCALE BAUMGARTNER: Dieser Behauptung widerspreche ich definitiv. Ich bin nicht faul und versuche, in der ­Arbeit weiterzukommen und mich weiterzubilden. Dies auch, weil der Generation Z ein Lohn wichtig ist, der einen normalen Lebensstil auch mit ausreichend Freizeit ermöglicht. Die Generation Z mag zwar Teilzeitarbeit, aber wenn sie arbeitet, ist sie fleissig und engagiert.

ANGELA SCHÜTZ: Jede vorherige Generation sagt doch über die neue Generation, dass sie faul sei. Das sind Vorurteile. Wären wir faul, würden wir zum Beispiel kaum ein weiterführendes Studium absolvieren und Sonderdienste übernehmen [vgl. Infokasten]. Die Generation Z will meiner Meinung nach die bestmögliche Arbeit leisten – vor allem dann, wenn sie sich mit ihrem Beruf und ihrem Arbeitgeber identifiziert.

PASCALE BAUMGARTNER: Ich habe mich selbst schon dabei erwischt, wie ich über jüngere Arbeitnehmende gesagt habe, dass sie nicht mehr arbeiten wollten. Man ist vor solchen Klischees nicht sicher. Die Arbeitseinstellung ist meiner Meinung nach nicht von der Generation abhängig, sondern eher von der Erziehung. Wird Kindern nicht vermittelt, dass sie mithelfen und Verantwortung übernehmen müssen, werden sie dies auch als erwachsene Arbeitnehmende seltener tun.

ANGELA SCHÜTZ: Was das Zuhausebleiben bei Krankheit betrifft: Die Mitglieder der Generation Z bleiben nicht zu oft zu Hause, aber sie haben gelernt, dass sie sich Sorge tragen müssen, wenn sie tatsächlich krank sind. Wir Pflegenden wollen immer überall helfen und einspringen. Aber wenn wir eines Tages ein Burn-out haben, ist niemandem geholfen.

Zu den Interviewten
Angela Schütz, 22, ist seit 2020 bei der Spitex Aare und befindet sich im 3. Jahr des Studiums zur Pflegefachfrau HF im Team Hessigkofen.
Sie arbeitet zu 100 Stellenprozent und übernimmt auch Weekenddienste sowie nachmittägliche Pikettdienste. Ihre Freizeit widmet sie gern ­ihrer Familie und mag das Kochen, Schwimmen, Reisen, Zeit mit Freunden und Musik.

Pascale Baumgartner, 24, ist seit 2017 bei der Spitex Aare, Team Hessigkofen. Die Fachfrau Gesundheit ist zu 60 Stellenprozent im Büro und zu 40 Prozent in der Pflege tätig. Sie absolviert 10 Nacht-Pikettdienste, 8 Spätschichten und 2 Weekend-Dienste im Monat. Ihre Freizeit ­verbringt sie mit ihrer Familie sowie in der Landwirtschaft, da ihr Partner Landwirt ist. 2024 wird sie ihr Pensum für eine Kinesiologie-Ausbildung auf 80 Prozent reduzieren.

Die Spitex Aare hat Leistungsaufträge in 15 Solothurner Gemeinden und Stützpunkte in Selzach und Hessigkofen. Sie zählt rund 100 Mitarbeitende sowie 400 Klientinnen und Klienten.

→ www.spitex-aare.ch

Die dritte Behauptung: Die Generation Z will nur Arbeit, die sie als sinnvoll empfindet.
ANGELA SCHÜTZ: Diese Behauptung stimmt im Grossen und Ganzen. Auch mir persönlich ist es wichtig, in einem Beruf tätig zu sein, der sinnvoll ist und mit dem ich mich darum identifizieren kann. Darum habe ich mich für die Arbeit bei der Spitex entschieden. Hier kann ich Menschen unterstützen, trotz Krankheit oder Gebrechlichkeit zu Hause leben zu dürfen. Dafür erhalte ich viel Freude und Dankbarkeit zurück.

Die grosse Sinnhaftigkeit der Arbeit bei der Spitex sollte in der Rekrutierung betont werden, um die Generation Z anzuziehen.

PASCALE BAUMGARTNER

Fachfrau Gesundheit, Spitex Aare

Ich bin überzeugt, dass die Selbstverantwortung und die Organisationsfähigkeit, welche die Spitex von ihren Mitarbeitenden fordert, die Generation Z anzieht.

ANGELA SCHÜTZ

Studierende Pflegefachfrau HF, Spitex Aare

Die vierte und letzte Behauptung: Die Generation Z ist ihrem Arbeitgeber nicht treu und wechselt ihre Arbeitsstelle schnell.
PASCALE BAUMGARTNER: Diese Behauptung stimmt teilweise. In der Pflege kann die Generation Z ihre Arbeitsstelle aussuchen. Dies führt zum Privileg, dass wir gewisse Forderungen stellen können, zum Beispiel nach mehr Förderung – und dass wir gehen können, wenn diesen nicht entsprochen wird. Werde ich aber von einem Arbeitgeber wie der Spitex Aare stark unterstützt und bin Teil eines wunderbaren Teams, bleibe ich ­gerne lange am selben Ort und gebe die mir entgegengebrachte Loyalität zurück.

ANGELA SCHÜTZ: Auch vorbildliche Arbeitgeber können die Generation Z aber verlieren. Wir jungen Menschen haben die Chance, neue Erfahrungen zu machen – und ich finde es legitim, dass wir diese Chance nutzen, wenn wir dies wünschen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Generation Z eines Tages zu ­einem Arbeitgeber zurückkehrt, bei dem sie sich sehr wohl gefühlt hat.

Welche Merkmale der Arbeit bei der Spitex sind in der Bilanz besonders wichtig, um die Generation Z anzuziehen?
ANGELA SCHÜTZ: Ich bin überzeugt, dass die Selbstverantwortung und die Organisationsfähigkeit, welche die Spitex von ihren Mitarbeitenden fordert, die Genera­tion Z anzieht. Die Generation Z ist auch zukunftsorientiert und mag es, gefördert zu werden und von vielen Weiterbildungsmöglichkeiten profitieren zu können. Sie möchte merken, dass der Arbeitgeber sowie die Klientinnen und Klienten sich über ihre Anwesenheit freuen. Was der Generation Z ebenfalls gefällt, sind moderne Organisationen, welche gut auf die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeitenden achten.

PASCALE BAUMGARTNER: Viele Spitex-Organisationen können den jungen Menschen zudem flache Hierarchien in familiären Teams bieten, was der Generation Z wichtig ist. Zentral ist auch, dass den jungen Menschen genug Zeit für ihre Klientinnen und Klienten eingeräumt wird. Die Spitex Aare versucht, dass ihre Mitarbeitenden mit ihren Klientinnen und Klienten auch einmal ein kurzes Gespräch führen können, trotz Zeitdruck. Ist dies gewährleistet, werden die Pflegenden aus der Generation Z die grosse Sinnhaftigkeit der Arbeit bei der Spitex noch mehr schätzen. Diese grosse Sinnhaftigkeit sollte in der Rekrutierung betont werden, um die Generation Z anzuziehen.

Und die Frage zum Schluss: Wie können ältere Mitarbeitende der Spitex, die über das Verhalten von jungen Mitarbeitenden irritiert sind, mit diesem Generationenkonflikt umgehen?
PASCALE BAUMGARTNER: Keine Generation ist perfekt. Darum müssen im Falle eines Konflikts beide Seiten bereit sein, miteinander zu sprechen und Kompromisse einzugehen. Denn bleiben alle Generationen stur bei ihren Ansichten, wird ihre Zusammenarbeit nie funktionieren.

Interview: Kathrin Morf

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