Der vierbeinige Spitex-Mitarbeiter «Boogie»

Monique Münger und ihr Therapiehund «Boogie» bieten tiergestützte Aktivität für Klientinnen und Klienten der Spitex Bern an. Die freiwillige Tätigkeit soll für Freude sorgen – auch im Leben von psychisch kranken und sterbenden Menschen.

KATHRIN MORF. «Boogie» ist oftmals voller Energie, verspielt und kaum zu bremsen – ganz wie der Tanz- und Musikstil «Boogie-Woogie», dem der lebensfrohe Terrier seinen Namen verdankt. Aber für die Klientinnen und Klienten der Spitex kann Boogie auch viel Sanftheit beweisen und Ruhe ausstrahlen: Seit eineinhalb Jahren bieten der Rüde und seine Halterin Monique Münger tiergestützte Aktivität für alle Menschen an, welche auf die Spitex Bern angewiesen sind.

Monique Münger mit Boogie, den eine Plakette am Halsband als Therapiehund ausweist. Bild: Kathrin Morf

Monique Münger ist 52 Jahre alt, wohnt mit ihrem Mann in Köniz BE und hat zwei erwachsene Söhne. Die auf Onkologie und Palliative Care spezialisierte Pflegefachfrau arbeitet seit 2011 für die Spitex Bern; derzeit ist sie im 80-Prozent-Pensum für den Mobilen Palliativdienst (MPD) tätig. Die tiergestützte Aktivität bietet sie in ihrer Freizeit an. Dank ihrem freiwilligen Einsatz und einem Spesenbeitrag des MPD-Fonds der Spitex Bern müssen die Klientinnen und Klienten nichts für die aussergewöhnliche Dienstleistung bezahlen. «Bei dieser Aktivität stehe aber nicht ich im Zentrum, sondern Boogie», stellt Monique Münger klar. Darum soll ein genauerer Blick auf ihren vierbeinigen Begleiter geworen werden: Boogie wurde im November 2016 geboren und ist ein reinrassiger Jack Russel Terrier. «Er hat einen freundlichen Charakter, ist Menschen wohlgesinnt und motiviert bei allen möglichen Aktivitäten», lobt seine Halterin. Im Alter von fünf Monaten zog Boogie zur Familie Münger nach Köniz und begleitet seither vor allem sein «Frauchen» überallhin. «Er ist zum Beispiel mein Begleiter beim Velofahren und Nordic Walking», zählt Monique Münger auf. Eines Tages beschloss die Pflegefachfrau, dass das tierisch-menschliche Duo auch eine gemeinsame Ausbildung absolvieren wird – diejenige beim Verein Therapiehunde Schweiz (vgl. Infokasten).

Boogie erholt sich in seinen Körbchen mit einem Stecken. Bild: Kathrin Morf

Einzelne Erwachsene sind Boogie am liebsten
«Boogie wurde im Rahmen der Ausbildung genau begutachtet und auf seine Eignung für Einsätze als Therapiehund geprüft», führt Monique Münger aus. So sei analysiert worden, wie der Hund auf Stresssituationen reagiert und ob er seiner Halterin gut gehorcht. Zudem übte das Duo zum Beispiel den Umgang mit betagten Einzelpersonen sowie Gruppen in einem Alters- und Pflegeheim. «Ich selbst musste im Gegensatz zu Boogie auch viel Theorie büffeln», fügt die Könizerin lachend an. Beispielsweise habe sie viel über die Anzeichen von Stress bei Hunden gelernt. 

In der Ausbildung kristallisierte sich auch heraus, dass Boogie nicht für alle Settings als Therapiehund gleichermassen geeignet ist. «Boogie mag zwar Kinder sehr, aber im Umgang mit ihnen ist er schneller gestresst als im Umgang mit Erwachsenen. Zudem geniesst er Treffen mit einzelnen Personen mehr als solche mit Gruppen», erklärt Monique Münger. Bestens geeignet sei Boogie indes für den Besuch von physisch oder psychisch kranken Klientinnen und Klienten der Spitex – und solche Besuche absolviert er dann auch, seit er im Frühling 2022 die Prüfung des VTHS erfolgreich bestanden hat. 

Der Verein Therapiehunde Schweiz
Der gemeinnützige Verein Therapiehunde Schweiz (VTHS) wurde 1994 gegründet, um die tiergestützte Therapie zu fördern. Hierfür bildet der VTHS auch Teams aus Hunden und Halterinnen oder Haltern aus, damit sie zum Beispiel in Kliniken, Heimen, Spitälern oder bei Klientinnen und Klienten der Spitex tätig werden können. Diese Besuche erfolgen laut VTHS stets kostenlos mit dem Ziel, das körperliche und mentale Wohlbefinden der Besuchten zu erhalten beziehungsweise zu ­fördern. Für die Zulassung zur 550 Franken kostenden Ausbildung an neun Standorten (in Deutsch und Italienisch) muss ein volljähriger Hundeführer seit mindestens einem Jahr ein Team mit seinem Hund bilden, der zwischen 2 und 7 Jahre alt, gesund und geimpft ist und ­einen guten Grundgehorsam hat. 

www.therapiehunde.ch

Spielen, Spazieren, Streicheln, Sein
Die Anmeldung für die tiergestützte Aktivität erfolgt über eine Fallführende oder Teamleitung der Spitex Bern. Im Vorfeld klärt Monique Münger mit den Klientinnen und Klienten sowie mit allfälligen Angehörigen ab, ob die Besuche überhaupt erwünscht sind und was Boogie in der Wohnung tun darf – ob er beispielsweise auf dem Bett einer bettlägerigen Person liegen darf. Wie sich die Besuche dann genau gestalten, ist von den Bedürfnissen der Klientinnen und Klienten abhängig. «Ich besuche sie zu Hause oder an einem Ort ihrer Wahl. Sie können Boogie streicheln, mit ihm spazieren gehen, mit ihm spielen; und manchmal sitzen Boogie und die Klientin oder der Klient auch einfach nebeneinander und tun nichts, ausser zu sein», zählt sie auf. Die Therapiehundeführerin greift nur ein, wenn sie bemerkt, dass Boogie das Verhalten seines menschlichen Gegenübers nicht mehr geniesst – wenn er zum Beispiel signalisiert, dass er ausreichend Streicheleinheiten erhalten hat. «Schliesslich ist Boogie ein Lebewesen und kein Spielzeug», sagt die 52-Jährige, welche in solchen Momenten eine andere Aktivität vorschlägt. «Wirft die besuchte Person dann zum Beispiel einen Ball und Boogie rennt diesem hinterher, ist die Freude auf beiden Seiten wieder gross», berichtet sie. Eine Sache dürfen die Klientinnen und Klienten indes erst gegen Ende der gemeinsamen Zeit einsetzen – ein Hundeguetzli. «Hat mein Hund erst einmal Aussicht auf ein Guetzli, dann wird er ganz hibbelig und seine Welt dreht sich nur noch um die Leckerei», erklärt sie schmunzelnd. 

Monique Münger geniesst die «tierischen» Einsätze fernab ihrer eigentlichen Tätigkeit für die Spitex Bern: «Ich habe bei der tiergestützten Aktivität kein Pflegeziel, keine strengen zeitlichen Begrenzungen und keine Dokumentationspflicht – und das ist eine schöne Abwechslung zu meinem Berufsalltag.» Was die Klientinnen und Klienten während der tiergestützten Aktivität erzählen und tun, bleibe unter den Anwesenden. Die Besuche seien «einzig» dazu da, das Wohlbefinden und damit die Lebensqualität der Klientinnen und Klienten zu verbessern. «Das grösste Ziel dieses Angebots ist die Freude: Können Boogie und ich diesen Klientinnen und Klienten eine Freude bereiten inmitten all der Schwierigkeiten, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind, dann lohnt sich unser Aufwand zweifellos», sagt sie. 

Ein Therapiehund kann ein Türöffner sein und die psychische Verfassung der Klientinnen und Klienten verbessern.

Monique Münger

Therapiehundeführerin; Spitex Bern

Gut für die psychische Gesundheit
Meist schaut das tierisch-menschliche Duo einmal im Monat für rund 60 Minuten bei den Klientinnen und Klienten vorbei, Abweichungen sind jedoch möglich. Da war zum Beispiel der Mann mittleren Alters, der die Palliativpflege der Spitex Bern benötigte. «Er wollte mit Boogie Spaziergänge im Wald unternehmen, und diese Spaziergänge dauerten schon einmal eineinhalb Stunden», erinnert sich Monique Münger. «Der Klient hat sich sehr über diese Möglichkeit gefreut, denn vor seiner Krankheit hat er immer Hunde gehalten und vermisste ihre Anwesenheit.» 

Auch die Spezialteams der Spitex Bern, die für Palliative Care, Menschen mit Demenz oder Psychiatriepflege zuständig sind, fragen Monique Münger zuweilen an, ob sie mit Boogie eine Klientin oder einen Klienten ­besuchen könne. Studien zeigen schliesslich, dass Therapiehunde einen positiven Einfluss auf den Gemütszustand, die Offenheit und die Lebensqualität von Menschen mit psychischen Problemen auszuüben vermögen. Dies kann Monique Münger aus eigener Erfahrung bestätigen. «Ich merke klar, dass ein Therapiehund ein Türöffner sein und die psychische Verfassung der Klientinnen und Klienten der Spitex verbessern kann», sagt sie. Darum würde sie es begrüssen, wenn im Spitex-Setting vermehrt Therapiehunde zum Einsatz kämen (vgl. auch «Spitex Magazin» 5/2018). «Die besuchten Menschen können Boogie gegenüber ganz sich selbst sein. Denn ein Hund stellt keine Fragen, erwartet kein bestimmtes Benehmen. Er freut sich einfach nur auf die Begegnung mit den Menschen», fügt sie an. «Erhalten die Klientinnen und Klienten Besuch von der Spitex, dreht sich dieser um ihre Krankheit und ihre Probleme – bei Boogies Besuch geht es allein um den Genuss.» 

Besonders von Boogie angetan ist eine psychisch kranke Klientin der Spitex Bern. «Sie öffnet den Spitex-Mitarbeitenden zeitweise die Tür nicht. Aber was Boogie betrifft, ruft sie die Spitex sogar an, um sicherzustellen, dass sein Besuch zum vereinbarten Termin sicher stattfindet», erzählt Monique Münger. Einmal sei die Frau vorübergehend in einer stationären Institution behandelt worden – und habe nach ihrer Entlassung sofort zum Telefon gegriffen, um die Wiederaufnahme der tiergestützten Aktivität sicherzustellen. «In letzter Zeit haben wir diese Klientin auf ihren Wunsch in einem Park getroffen, wo sie Boogie auch Freunden vorstellen kann. Dort setzt sich die Frau jeweils auf eine Parkbank, und Boogie setzt sich neben sie, lässt sich streicheln und hört ihren Erzählungen zu.»

Bis zum Ende begleitet
Pro Monat besucht das Duo etwa drei Klientinnen und Klienten, wobei Monique Münger darauf achtet, dass Boogie maximal einen Einsatz pro Tag leistet. «Boogie geniesst die Besuche, aber sie machen ihn müde, weil er emotional stark gefordert wird», erklärt sie. Boogie spüre zum Beispiel, wenn ein Mensch traurig sei – und eile herbei, um dem Zweibeiner mit seiner Präsenz Trost zu spenden. Auf dem Flyer für die tiergestützten Aktivitäten bei der Spitex Bern wird passend dazu die Autorin Ivana Seger zitiert: «Der Hund braucht keine Worte, um zu trösten.»

Besonders schön sei, dass Boogie bereits so manchen kranken Menschen über mehrere Monate hinweg begleiten konnte, sagt Monique Münger. Da war zum Beispiel die ältere Frau, welche von Boogie erst in ihrer Wohnung besucht wurde, wo Streicheleinheiten und Spiele warteten. Dann ging es der Seniorin aber zunehmend schlecht, und schliesslich wurde sie auf die Palliativstation der Berner Stiftung Diaconis eingewiesen. «Man hat mir und Boogie erlaubt, die Frau dort weiterhin zu besuchen», berichtet Monique Münger. Vor Ort habe Boogie sofort registriert, dass es wieder einmal Zeit für seine ruhige Seite war. «Er hüpfte auf das Bett der Klientin und legte seinen Kopf auf ihr Bein, damit sie ihn streicheln konnte», erzählt sie. «Es war sehr schön, dass Boogie diese Frau auch in ihren letzten Tagen begleiten und ihr Freude bereiten konnte.»

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